Hitze und jede Menge Korn
Fr., 20.07.2018
Boilstädt – Gotha – Friemar – Pferdingsleben – Nottleben – Gamstädt – Frienstädt – Schmira
Kilometer: 35,8 km
Nachdem ich meine sieben Sachen verstaut habe, geht es durch die Vororte in die Innenstadt von Gotha.
Der Schlossgarten kann mich leider nicht so wirklich überzeugen. Es sieht alles irgendwie so herunter gekommen aus! Offenbar fehlt es an Geld, um den Park wieder zum Blühen zu bringen. Entlang mehrerer Brunnen geht es in die Altstadt. Auch hier sieht man an vielen Häusern, dass eigentlich einiges getan werden müsste, aber wohl kein Geld da ist. Es gibt aber auch richtig hübsche Abschnitte.
In der Fußgängerzone setze ich mich mit meinem Laptop auf ein Sims und beginne, mit kostenfreiem WLAN die Bilder der letzten Tage hochzuladen. Nachdem ich damit fertig bin, mache ich mich wieder auf den Weg und treffe nur wenige Meter weiter einen alten Bekannten.
In Eisenach war mir ein Mann, offenbar osteuropäischer Herkunft, aufgefallen. Auf Knien sitzend, aber in einer sehr lang gestreckten Körperhaltung mit einem Pappbecher in der Hand, führte er wippende Bewegungen aus und sprach wirklich jeden Passanten, der vorbei ging, mit “Guten Morgen” an. Was bei der Dichte an Passanten zu einem etwas skurrilen „Guten Morgen, Guten Morgen, Guten Morgen“ Monolog führte. Offenbar hatte man dem Mann auch kein anderes Vokabular beigebracht, denn auch zur Mittagszeit gab es nur ein “Guten Morgen”.
Auf jeden Fall saß eben genau dieser Mann nun erneut vor mir. Offenbar wird er von Stadt zu Stadt gefahren, und ich bin schon sehr gespannt, ob ich ihm morgen in Erfurt wieder begegne.
Gotha verlasse ich Richtung Osten durch einfache Wohnsiedlungen. Man sieht überall, dass es in Gotha offenbar an Geld mangelt.
Auf einem extrem breiten Feldweg, früher offenbar eine Straße, geht es raus auf die Felder. Die Sonne brennt gnadenlos auf meinen Kopf. Schatten? So etwas gibt es hier nicht! Nur kilometerlange, baumfreie und kerzengerade Wege durch Getreidefelder.
So muss man sich als Wanderer oder Radler in der Wüste oder Steppe fühlen! Eintönigkeit, wohin man schaut. Ich spüre, wie der Kopf sich langsam abschaltet. Man latscht nur noch so vor sich hin, den Blick meist auf den Boden gesenkt. Bloß nicht in die Ferne schauen! Das frustriert nur, wenn das Ziel einfach nicht näher kommen will.
Irgendwann habe ich es dann endlich doch geschafft und stehe in Friemar. Doch die Abwechslung in Form eines Stausees und einer Birnenallee hält nur von kurzer Dauer an. Auf einer Betonplattenstraße geht es nun wieder kerzengerade durch Maisfelder. Wieder kein Strauch und Baum, der Schatten wirft.
Eigentlich sollte der Weg auch gar nicht für PKWs offen sein. Zumindest in Pferdingsleben war das Abbiegen nicht gestattet. Aber hier ist ein Auto nach dem anderen unterwegs. Teilweise mehr als auf der Landstraße! Rattadong, Ratta ,Rattadong, Ratta, Rattadong. Ich kann das Geräusch der Autos auf den Betonplatten bald nicht mehr hören. Es ist unglaublich heiß, und diese Autos stören nur noch.
Ich bin daher froh, als ich ab Nottleben auf autofreien Feldwegen weiterlaufen kann. Hier gibt es zudem Sträucher. Mirabellen, die teilweise auch schon genießbar sind. Ich nehme mir eine Handvoll mit in den nächsten baumfreien Abschnitt. Wieder nur Getreide, Getreide und nochmals Getreide.
Also wer hier freiwillig gerne lebt…, denke ich mir, der geht zumindest nicht wandern. Was für eine öde Landschaft!
Nach Überqueren der A71 und Erreichen von Schmira kommt wieder etwas Abwechslung herein. Es wird hügeliger, und man hat wieder einen Ausblick auf den Thüringer Wald. So schnell können sich Landschaften verändern und mit ihr ihre Ausstrahlung.
Ich beschließe, hier zu bleiben. Über 35 km bei dieser Hitze ist einfach genug! Ich fühle mich unglaublich verklebt und verschwitzt und überlege, was ich machen soll, und werde kurzerhand kreativ. Ich tauche mein Reisehandtuch zur Hälfte ins Wasser meiner 1,5-Liter-Flasche, und wasche mich damit grob von oben bis unten ab. Anschließend massiere ich etwas Duschgel in die nasse obere Hälfte, bis diese schön schäumt, und schäume mich so schön ein. Den Rest der 1,5 l Wasser nutze ich zum Abwaschen des Schaumes. Mit der trockenen Seite trockne ich mich wieder ab. Ich fühle mich sogleich besser, nachdem ich frische Klamotten angezogen habe. Es ersetzt zwar keine richtige Dusche, ist aber deutlich besser als alles davor.
Kurz vor Sonnenuntergang gehe ich noch einmal in den Ort und fülle meine Flaschen an einer Schwengelpumpe wieder auf. Ein Junge meint, sie würden davon auch immer trinken. Ich gehe auch stark davon aus, dass es sich um Brunnenwasser handelt.
Ich beobachte am Zelt noch einige Feldhasen und einen Fuchs, der raus auf die Stoppelfelder läuft, dann gehe ich nach einem Telefonat mit Katharina ins Bett.