Fotopirsch und jähes Ende meiner Reise?!!
Mi., 17.10.2018
Bärnsee – Höhenberg – Haindorf – Aschau im Chiemgau
Kilometer: 5,9 km
In der Nacht werde ich von einem Tier geweckt, das in hohem Tempo an meinem Zelt vorbeirennt. Kurz darauf höre ich ein weiteres Tier heranlaufen. Dieses ist jedoch langsam und bedächtig unterwegs und stoppt erst einmal neben meinem Zelt. Ich höre, wie es mein Zelt umkreist. Dann herrscht Stille. Schließlich verlässt es mein Zelt in Richtung Norden. Ich überlege: Eigentlich kann es nur ein Raubtier gewesen sein. Anders wäre das fluchtartige Verhalten des ersten Tieres nicht erklärbar. Auch das bedächtige und ruhige Verhalten des zweiten Tieres würde passen. Doch welches Tier könnte es sein? Vielleicht ein Fuchs? Luchse gibt es meines Wissens hier unten am Alpenrand nicht. Eigentlich müsste ich mir einmal eine Wildkamera anschaffen und aufzeichnen, was sich so nachts um mich herum bewegt. Mit diesem Gedanken schlafe ich wieder ein.
Als ich am Morgen erwache, ist es immer noch erstaunlich mild. In der Nacht hatte noch ein kräftiger Wind eingesetzt, der bis zum Morgen anhielt. Meine Nebelträume über dem See dürften sich damit aber erledigt haben. Dafür ist mein Außenzelt heute knochentrocken.
Bevor ich alles abbaue, packe ich meine Fotoausrüstung zusammen und mache mich auf den Weg zum See hinunter. Wie erwartet ist von Nebel weit und breit nichts zu sehen. Dafür sind aber keine Angler mehr da. Ich kann also meine Kamera aufbauen. Nach und nach schiebt sich die Sonne hinter mir über den Berg und bescheint die mir gegenüberliegenden Gipfel. Ich entscheide mich aufgrund des Wellengangs auf dem kleinen See für einen starken Graufilter. Das Ergebnis kann sich sehen lassen!
Nach einigen Aufnahmen im Hoch- und Querformat packe ich meine Taschen und laufe wieder hinauf zu meinem Zelt. Deutlich schneller als sonst habe ich alles in meinem Packsack verstaut. Durch den Wald gehe ich wieder zu den Kuhweiden. Hier biege ich nach links ab und steige auf einem Wiesenpfad hinab zum See. Auf dem Bohlenpfad vom Vorabend geht es an der Nordseite des Bärnsees in Richtung Westen.
Am anderen Ende steige ich sehr steil den Berg hinauf nach Höhenberg. Wie es der Name des Hofes schon sagt, liegt dieser auf einer Endmoräne oberhalb des Sees. Von hier hat man einen wunderbaren Blick hinab nach Aschau. Über Wiesen und vorbei an weiteren Höfen gehe ich hinab ins Tal. Hier stoße ich auf einen schmalen Schotterpfad, der mich an Kühen vorbei nach Aschau führt. Im Gegensatz zu gestern sind die Kühe hier entspannt und bleiben liegen. Vielleicht sind sie aber auch einfach noch zu müde.
In Aschau überquere ich die Bahnlinie und folge der Landstraße nach Frasdorf in Richtung Nordwesten. Ich bin keine 500 m weit gekommen, da geht plötzlich ein heftiger Ruck durch meinen Wagen. „Aha!“, denke ich mir. „Jetzt ist wohl das linke Gummiband des Griffes gerissen.“ Dieses war während der letzten Tage an einigen Stellen dünner geworden. Aber als ich mich umdrehe, erblicke ich etwas, mit dem ich so nicht gerechnet habe. Und was ich da erblicke, gefällt mir gar nicht…
Zum zweiten Mal auf meiner Reise ist mir die Deichsel gebrochen, jedoch nicht, wie am dritten Tag meiner Reise, an einer Stelle, die man schnell reparieren könnte! Nein, direkt unterhalb des Griffes hat es unmittelbar an der Verstärkung den verbauten Trekkingstab durchtrennt. Jetzt ist aber wirklich guter Rat sehr teuer! Eine gefühlte halbe Stunde stehe ich einfach nur ratlos neben meinem Wagen, während zwei Meter weiter die Autos an mir vorbeifahren. Ich ahne bereits, dass das kompliziert werden wird und das Potenzial hat, meine Reise auf längere Zeit zu unterbrechen. Zunächst muss ich schauen, dass ich zu einem Baumarkt komme. Meine Schwester, mit der ich noch per WhatsApp in Kontakt stehe, fragt, ob ich nicht lieber zu ihr zurückkommen möchte. Sie wollte eigentlich nur wissen, wo ich mittlerweile bin, und daraufhin habe ich ihr von meinem Dilemma geschrieben. Ich nehme das Angebot gerne an. Was für ein Mist! Ich war gerade wieder so richtig in Lauf-Stimmung und wollte heute eigentlich bis an den Wendelstein herankommen. Doch nun steht alles erst einmal in den Sternen!
Vorsichtig schiebe ich den Wagen vor mir her zurück nach Aschau. Am Bahnhof kaufe ich mir eine Fahrkarte nach Übersee. Ich muss eine Weile warten, bis der Zug nach Prien in den Sackbahnhof einfährt. Diesen anschließend mit meinem Wagen zu besteigen, stellt sich als eine kleine Herausforderung dar: Erstens ist es ein Triebwagen der älteren Generation, der nur über leiterartige Treppen betreten werden kann, zweitens fehlt mir durch den Bruch am Wagen ein wichtiger Griff, und die engen Türen machen alles nicht einfacher. Doch schließlich steht der Wagen im Fahrradabteil. In Prien habe ich das gleiche Problem, nur eben in Gegenrichtung hinab zum Bahnsteig. Zum Glück gibt es in Prien am Chiemsee Aufzüge. Über diese wechsele ich die Bahnsteige und kann fast ebenerdig in den Zug nach Traunstein einsteigen. In Übersee steige ich aus und gehe zurück zu meiner Schwester, die mich bereits erwartet.
Am Nachmittag kommt dann mein Schwager von der Arbeit zurück. Auch er schaut sich meinen Wagen an, und zu zweit überlegen wir, wie man die Deichsel reparieren könnte. Egal wie wir es drehen oder wenden, es wird auf eine größere Reparatur hinauslaufen. Wir stellen außerdem beim genauen Betrachten fest, dass es noch einen zweiten Bruch im unteren Bereich gibt. Dieser muss schon länger existieren und wurde durch die Verstärkung von Magdeburg weiter gehalten.
Barbara und Sebastian versuchen, im Ort ein paar Metallbauer zu kontaktieren. Einer möchte am nächsten Tag einmal vorbeikommen und sich das Drama anschauen. Ich habe mittlerweile eine Idee im Kopf, wie ich dieses Problem lösen könnte, und mache mich am späten Nachmittag auf den Weg in den ortsansässigen Baumarkt. Doch hier folgt die Ernüchterung: Ein Großteil der notwendigen Materialien sind hier nicht verfügbar. Ich werde wohl oder übel am nächsten Tag in die nächste größere Stadt fahren müssen. Aber mal sehen, was morgen noch der Metallbauer sagt. Vielleicht hat er noch Bezugsquellen oder ganz andere Ideen, auf die ich noch nicht gekommen bin.
Am Abend schaue ich mir die Bilder vom Morgen an. Sind gut geworden. Immerhin etwas!