Ende meiner Reise und eine abenteuerliche Zugfahrt

Mo., 29.10.2018

Nein, bei der Überschrift handelt es sich leider um keinen Scherz. Ich habe mich wirklich dazu entschieden, meine Reise heute zu beenden. Diese Entscheidung fiel mir nicht leicht, und ich kann Euch versichern, es war keine Kurzschluss-Entscheidung. Wer die letzten Tage aufmerksam verfolgt hat, wird festgestellt haben, dass immer wieder Abbruchgedanken vorhanden waren. Ich habe in den letzten Tagen immer mehr gemerkt, dass ich zunehmend den Spaß verliere. Trotz gutem Wetter und toller Landschaft! Ich habe immer allen Leuten unterwegs gesagt, ich habe vor, ein Jahr durch Deutschland zu reisen. So steht es auch an meinem Wagen. Aber ich habe auch immer gesagt, wenn ich merke, dass ich keine Lust mehr habe, dann breche ich ab. Ich muss niemanden etwas beweisen, und für mich stellt die Freude an der Reise das wichtigste Kriterium dar. Wenn ich mich dazu aufraffen muss, um weiter zu ziehen, dann stimmt etwas nicht mehr. Ich habe in den letzten Tagen gemerkt, dass sich bei mir ein gewisser Zelt-Koller eingestellt hat. Seit über vier Monaten lebe ich nun im Zelt, und so schön das Nomadenleben am Anfang auch war, so nach und nach hat sich eine Ermüdung eingestellt. Das ist in erster Linie der Hauptgrund, warum ich mir gesagt habe, dass es reicht. Hinzu kommen jedoch noch zahlreiche weitere Gründe, die diese Entscheidung verstärkt haben: Da ist einerseits die Tatsache, dass es immer schwieriger wurde, meine Elektronik wieder aufzuladen. Die meisten Campingplätze waren geschlossen. Das Wetter, aber auch die weniger dicht besiedelte Landschaft, sorgten dafür, dass ich weniger mit Menschen in Kontakt kam, was aber wiederum in den letzten Monaten der Garant dafür war, unterwegs immer mal wieder bei Menschen unterzukommen. Die Nächte werden immer länger, das heißt, ich sitze immer früher allein in einem dunklen Zelt, ohne wirklich etwas machen zu können. Den Akku der Stirnlampe muss ich schonen, da wie gesagt Strom rar wird. Dann ist es die Witterung an sich. Ich fahre bereits seit mehreren Tagen frisch gewaschene Wäsche mit mir herum. Trotz Sonnenschein wurde sie nicht mehr trocken. Natürlich gibt es auch da die Möglichkeit, mittels eines Lagerfeuers die Wäsche über der Glut zu trocknen, aber das war mir ehrlich gesagt gerade zu viel! Dann kommt noch die allgemeine Feuchtigkeit dazu. Alles wurde klamm, was sich im Laufe der Zeit summierte. Wir haben eben keinen Sommer mehr, wo man nach Regenfällen einfach die Sachen wieder zum Trocknen in die Sonne hängen kann. Mit Pensionen hätte ich die Tour zwar noch etwas in die Länge ziehen können, aber wozu, wenn die Lust daran derzeit etwas flöten gegangen ist? Und dann stehen Zuhause umfangreiche Veränderungen an, bei denen ich Katharina natürlich zur Seite stehen möchte, so wie sie es auch bei mir während der letzten Monate getan hat.

Ich trage bereits seit mehreren Tagen die Fahrkarte für die Rückfahrt mit mir herum. Die Entscheidung war also wohlüberlegt. Mir bleibt nun die Zeit, Danke zu sagen! Danke, an alle Menschen, die mir unterwegs begegneten, mit denen ich interessante Gespräche führen konnte, die mich mit Lebensmitteln unterstützten, die mich zu sich einluden, ohne mich zu kennen. Oder die mich wie Norman ganz spontan ein Stück begleiteten. Nicht zu vergessen natürlich Claudia und Daniel, die mir einen unvergesslichen Tandemflug organisierten. Vielen lieben Dank! Ihr habt alle meine letzten vier Monate sehr bereichert! Und zu guter Letzt auch einen großen Dank an Katharina, der kein Weg zu weit war, um mich zu besuchen und mich auch sonst auf allen Ebenen zu unterstützen!

Hiermit endet also nun meine tägliche Berichterstattung von meiner Reise durch Deutschland. Knapp 3000 km sind es am Ende geworden. Genauer gesagt 2925 km! Die Zugspitze konnte ich am Ende wegen des Wintereinbruchs nicht mehr besteigen. Aber, hey, das ist ein Grund, wieder zu kommen! Und wer weiß, vielleicht packt es mich ja im Frühjahr 2019 wieder, und meine Reise geht weiter, durch ein vielfältiges und gastfreundliches Land: Deutschland!

Beenden möchte ich meine tägliche Berichterstattung mit der Reise mit der Deutschen Bahn. Viel Spaß!

Der Tag startet mit dichtem Nebel. Dieser ist so dicht, dass ich kaum das gegenüberliegende Haus von meinem Zimmer aus erkennen kann. Was bin ich froh, die letzte Nacht in einem warmen Zimmer verbracht zu haben! Bis auf das Außenzelt konnte ich außerdem vieles trocknen. Kurz vor 10 Uhr verlasse ich das Hostel und gehe zum Bahnhof. Weit ist der Weg nicht, da sich das Hostel in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof befindet.

Dichter Nebel in Garmisch-Partenkirchen

Die Regionalbahn nach München fährt pünktlich ein, und dank der Niederflurfahrzeuge komme ich ohne Probleme mit meinem Wagen in das Fahrradabteil. Auch bei meiner Fahrt nach München ändert sich an den Sichtverhältnissen draußen nicht viel. In München steht bereits mein Anschlusszug nach Hof am Bahnsteig bereit. Auch hier komme ich ohne Probleme mit meinem Wagen in das Fahrradabteil und mache es mir hier bequem. Auch dieser Zug verlässt München auf die Minute genau pünktlich. Auf der Höhe von Regensburg reißt zum ersten Mal die Nebeldecke auf. Kurz ist sogar etwas blauer Himmel zu sehen, doch die Wolkenfelder des kräftigen Adriatiefs dominieren. In Hof erwartet mich wieder dichter Nebel. Es ist schon faszinierend, wie ich so nach und nach Städte erreiche, die ich auf meiner Reise zu Fuß durchquert habe. Und dennoch ist hier alles neu für mich. Denn am Bahnhof war ich nicht. Entsprechend überrascht bin ich über den Bahnhof von Hof. Die Bahnhofshalle mit Parkettboden und der imposanten Halle weiß zu gefallen.

Bahnhofshalle von Hof

Ursprünglich war hier eine längere Umsteigezeit vorgesehen gewesen. Ich beschließe jedoch, diese nach Leipzig zu verlegen. Ich nehme daher eine Bahn früher und fahre über Zwickau nach Leipzig. Sowohl die Regionalbahn nach Dresden, als auch die S-Bahn von Zwickau nach Leipzig lassen sich prima mit meinem Wagen ebenerdig betreten und fahren auch alle auf die Minute ab.

In Leipzig habe ich nun gut 2 Stunden Aufenthalt, bis mein IC nach Braunschweig abfährt. Ich nutze die Zeit und erkunde die riesige Bahnhofsgalerie. Zahlreiche Fresstempel laden zum Essen ein. Um kurz nach 20 Uhr kehre ich dann wieder zum Bahnsteig zurück.

Der Kopfbahnhof von Leipzig
Auf mehreren Ebenen kann man hier einkaufen gehen

Der IC nach Braunschweig kommt auf die Minute genau in den Bahnhof eingefahren. Mensch, das läuft ja heute wie geschmiert, denke ich mir und besteige die neuen Doppelstockwagen des IC2 . Dank diesen komme ich auch hier ebenerdig in den Zug. Ich mache es mir in dem neuen Doppelstock-IC gemütlich und freue mich, dass ich bald die lange Zugfahrt hinter mir haben werde.

Noch läuft alles wie am Schnürchen. Hier im neuen IC2!

Kurz nach Halle kommt plötzlich eine Durchsage, dass der Zug außerplanmäßig in Köthen anhalten müsse. Es gäbe technische Probleme, und das Personal müsste aussteigen, um den Zug laufen und nachschauen, was da los ist. Wer rauchen wolle, könne dies draußen machen, aber man solle sich in der Nähe des Zuges aufhalten, falls es irgendwann weiter geht. Mir war in diesem Moment schon klar: Ich werde in Braunschweig stranden, den letzten Zug nach Wittingen, meinem Zielbahnhof, werde ich verpassen. Der Lokführer steigt also mit einer Taschenlampe aus, und nach vielleicht 15 Minuten kommt die Durchsage, dass bitte alle Passagiere aussteigen sollen, denn dieser Zug ende hier. Viele Fahrgäste sind nun natürlich verunsichert. Wie geht es weiter? Doch unser Glück ist, dass das Zugpersonal nach Hannover reisen muss, wie viele andere Gäste auch. Die Zugbegleiter sind also genauso betroffen! Wir sollen uns einfach alle an sie heften, ist daher ihre Aussage. Mittlerweile kommt dann eine Durchsage, dass auf Gleis 6 der Regionalzug nach Magdeburg einfahren wird. Diesen Zug sollen wir erst einmal nehmen. Alle stürzen hinab zur Treppe. Doch plötzlich stoppt alles. Wo ist überhaupt das Gleis 6? Laut Pfeilen auf unserem Gleis, aber das ist Gleis 4! Irgendwann stellt sich heraus, dass das Gleis 6 ein Gleis neben dem Bahnhof ist, wahrscheinlich für Güterzüge. Zu diesem gelangt man nur, wenn man das Gleis 4 überquert, wozu wir alle unter Schranken hindurchklettern müssen. Ein Bahnsteig fehlt auch, was bei der Einfahrt des Zuges zu einem enormen Höhenunterschied zwischen Tür und Boden führt. Zum Glück hilft jeder jedem, und so komme ich auch mit meinem Wagen ins Fahrradabteil. Hier sitze ich allein, zusammen mit drei Zugbegleitern, die dieses Abteil kurzerhand zum Krisenzentrum umfunktioniert haben: Der Zugbegleiter der Regionalbahn, die beiden Zugbegleiter vom IC nach Hannover und ich sitzen allein in einem Abteil. Und nun geht der Spaß erst so richtig los!

Denn ich bekomme nun Details zu hören, die man sonst so nicht mitbekommt. Einerseits höre ich, dass die “technischen Probleme” ein beinahe verloren gegangener Waggon waren, und dass die ganz neuen ICs eine einzige Katastrophe sind! Deutschland schafft sich ab, kann ich da nur sagen. Wir sind zu blöd, einen Flughafen zu bauen, zu blöd, funktionierende Züge zu bauen. Auf jeden Fall setzen nun die drei Zugbegleiter alle Hebel in Bewegung, um uns irgendwie weiterzubringen. Alle drei rufen mit ihrem Handy ihre Zentralen an. Dann kommt der Knüller: Die Zentrale schlägt vor, die Passagiere sollen ab Magdeburg in den Nachtzug der ÖBB umsteigen. Aber da es ein reservierungspflichtiger Zug sei, sei es zwingend erforderlich, von allen Fahrgästen vier Euro nachzuerheben. Das muss so sein! Die Zugbegleiter sind fassungslos! Sie sind sich einig, dass sie das niemals machen können, nach dem Motto “Es tut uns leid, unser Zug ist defekt, wenn sie aber weiter reisen wollen, müssen Sie bitte 4 € zahlen!”. Es folgen viele Telefonate, aber es bleibt dabei: ohne diese vier Euro nimmt die ÖBB niemanden mit! Die Alternative wäre ein ICE viele Stunden später. Weil unser Zug auf einen Gleis gestartet ist, der offensichtlich nur für Güterzüge zugelassen ist, darf der Lokführer nur noch auf Sicht fahren. Wir kriechen durch die Gegend, und schnell wird klar, den Nachtzug der ÖBB bekommen wir nun auch nicht mehr! Doch davon bekommen einige Zugbegleiter nichts mit, die inzwischen durch den Zug gehen und jeden einzelnen Gast nach seinem Reiseziel befragen. Denn für den Nachtzug muss erst einmal geklärt werden, wieviel freie Kapazitäten überhaupt vorhanden sind. Erneut gibt es hektische Telefonate: Nein, der Nachtzug wird keine Sekunde auf unseren Zug warten. Die Zugbegleiter sind auf 180! Denn nur wenige Minuten zuvor haben sie uns über die Sprechanlage über eben jenen Zug informiert und auch die Gäste mit der Sondergebühr von vier Euro konfrontiert. Diese bekommt man zwar später zurückerstattet, aber war nun alles umsonst? Doch dann kommt die neue Meldung: Sie dürfen Vollgas geben. Der Nachtzug der ÖBB könnte doch noch zu erreichen sein. Kurz vor Magdeburg wird dann klar, man wird in den Nachtzug umsteigen können, er wird nun doch etwas auf uns warten, und es sind auch genügend leere Abteile vorhanden. Ich frage eine Zugbegleiterin, wie ich ab Braunschweig dann weiterkommen kann. Ich habe wirklich keine Lust, fünf Stunden im Bahnhof sitzen zu müssen. Das sei kein Problem, sie stellt mir einen Taxi-Gutschein aus.

Damit soll ich nach Hause kommen

Zusammen rennen wir alle zum Nachtzug. Der Zugchef der ÖBB ist ein junger Mann. Er kommt von Abteil zu Abteil, um die vier Euro zu kassieren. Ihm ist es sichtlich peinlich! Ich komme mit ihm ins Gespräch, und er klärt mich auf, dass es am länderübergreifenden Zugverkehr liegt. Sonst würde es Probleme mit der DB bei der Abrechnung geben. “Soviel zum Thema ein Europa!” sage ich scherzhaft zu ihm. Er lacht und sagt: “Ja, so sieht es aus!”

Nach meiner Ankunft in Braunschweig spreche ich den ersten Taxifahrer auf den Gutschein an. Ich bin noch skeptisch, ob er den Gutschein überhaupt akzeptieren wird. Doch er fängt an zu strahlen. Das ist kein Problem! Er wollte zwar eigentlich nur noch eine kurze Fahrt machen, bevor er dann Feierabend macht, aber er fährt mich gerne nach Wittingen. Kurz darauf weiß ich auch, warum. Von der Zentrale bekommt er nach einem Telefongespräch den Tarif auf sein Gerät übermittelt: 139 €! Das wird teuer für die Deutsche Bahn! Die Schaffner konnten mir als Zielort nur den Ort eintragen, der auch auf dem Fahrschein stand. Als der Taxichauffeur erfährt, dass ich eigentlich nach Hankensbüttel reisen muss, sagt er, er fährt mich gerne auch dorthin. Die Fahrstrecke ist gleich lang. Wir unterhalten uns während der Fahrt über seine Erlebnisse als Taxifahrer. Er könnte mehrere Bücher schreiben, erzählt er mir lachend. Gegen 1 Uhr nachts komme ich schließlich wieder in Hankensbüttel an. Katharina hat sich für jede Stunde einen Wecker gestellt, um nicht zu tief einzuschlafen. Ich habe nämlich keinen Schlüssel dabei, um in die Wohnung zu kommen. Dennoch muss ich nach Klingeln und Fensterklopfen etwas warten, bis Katharina mir die Tür öffnet. Müde fallen wir beide ins Bett.

Ein Gedanke zu “Ende meiner Reise und eine abenteuerliche Zugfahrt”

  • hi markus,
    da schau ich mal nach deiner reise und was muss ich lesen…. schade!

    ich hatte viel spass mit dem bericht, ebenso bei deinem besuch. danke dafür!

    die partnachklamm möcht ich dir abschliessend noch ans herz legen. wenn du in der gegend bist nimm dir die zeit dafür. und wenn du wieder mal in meiner gegend bist, dann komm vorbei. gerne auch mit auto oder zug und mit katharina!

    happy trails
    hans
    lucky luke

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