Die Staubschlacht und die Duschpanne
Mi., 27.6.2018
Eickendorf – Atzendorf – Unseburg – Tarthun – Egeln – Hakeborn
Kilometer: 28,9 km
In der Nacht fährt gegen 3 Uhr ein Auto an meiner Hecke vorbei. Vermutlich ein Jäger. Wieder wach werde ich um 5.30 Uhr, als mein Wecker klingelt. Ich habe jedoch noch keine Lust, aufzustehen, und bleibe liegen. Um 6 Uhr raffe ich mich aber dann auf und fange an zu packen. Das Außenzelt ist heute trocken, und ich kann es gleich einpacken.
Der Weg führt mich heute zwischen Kartoffelfeldern, Pappelalleen und natürlich vielen Getreidefeldern nach Atzendorf. In der dortigen Aral-Tankstelle füllt mir der freundliche Tankwart meine Flasche mit Leitungswasser auf. Vorbei geht es am Hof der klugen Tiere. Laut Werbung bekannt vom Supertalent bei RTL. Von außen sehe ich ein paar Gänse, einen Esel und zwei Ponys.
Hinter einem Feuchtbiotop biege ich nach links ab, raus auf die Felder. Das Getreide ist hier nur wenige Zentimeter hoch. Also auch hier ist die Trockenheit gut zu erkennen. Mittlerweile ist es ganz schön warm geworden.
Auf dem kleinen Feldweg kommt mir plötzlich ein großer Muldenkipper entgegen. Was der hier draußen wohl zu suchen hat? Die Antwort finde ich an einer Weggabelung etwas später: Mitten zwischen den Getreidefelder befindet sich ein großes Kompostwerk. Es riecht nach frischem Kompost. Der Grund ist kurz darauf auch zu erkennen. Ein Radlader füllt Komposterde in eine große, sich drehende Trommel. Die feine Erde wird so von gröberen Bestandteilen getrennt.
Über Betonplatten – was auch sonst -, die grell in der Sonne blenden, geht es auf eine riesige Abraumhalde zu. Erst kann ich den großen weißen Berg vor mir gar nicht so richtig einordnen. Ist das ein Steinbruch? Aber dafür ist die Erhebung für das Umfeld zu hoch. So hohe “Berge” gibt es hier nicht. Ist es vielleicht eine Mülldeponie, die mit weißen Planen abgedeckt wurde. Erst kurz vor erreichen der Halde, bekomme ich die richtige Antwort. Was hier abgebaut wird, kann ich gar nicht so richtig sagen.
Hinweisschilder weisen nun darauf hin, dass hier ein Betreten strengstens verboten ist. Mein Weg, ein ausgeschilderter Pilgerweg, führt aber genau da hinein. Ich schaue auf meiner digitalen Landkarte nach. Auch diese sagt, da geht es hinein. Also versuche ich eben mein Glück.
Die Vegetation um mich herum wird immer staubiger. Zum Teil ist das Blattgrün nicht mehr zu erkennen, so dick liegt der Staub überall. Na, hoffentlich ersticke ich hier drinnen nicht. Plötzlich ist auch der Grund für den Staub überall zu erkennen. Der Boden fängt an zu beben, und mehrere große Bergbau-Muldenkipper rasen in einem irren Tempo an mir vorbei. Voll mit Erde oder Ton? Eine ganze Kolonne kommt so an mir vorbei. Wobei ich die letzteren eher nur noch gehört habe, denn eine gigantische Staubwolke zieht nun auf mich zu. Hilfe, wo bekomme ich denn jetzt noch Luft? Ich versuche, mein Hemd vor den Mund zu ziehen. Doch ich habe einen Verbündeten. Der kräftige Ostwind verhindert ein Vordringen bis zu mir. Und so kann ich den Trubel aus sicherer Entfernung beobachten.
Weiter geht der Weg entlang der Grube zwischen Windrädern hindurch. Eines wird gerade gewartet, und ich stelle hier zum ersten Mal fest, dass die großen Flügel in sich bewegbar sind, und so aus dem Windfeld heraus gedreht werden können. Ich dachte bis zu diesem Zeitpunkt immer, sie wären starr oben am Kopf montiert. Wieder etwas gelernt.
In Unseburg bin ich kurz davor, in einen der beiden Seen zu springen. Es ist so heiß geworden. Aber ich mache nur etwas Pause und ziehe weiter. Beim Überqueren der Bode in Unseburg wird mir bewusst, der Harz kommt immer näher. Überrascht bin ich, als ich in dem kleinen Ort das neue E-Auto der deutschen Post zu Gesicht bekomme. Das hätte ich hier nicht erwartet.
An der schönen Mühlenbode geht es nun auf schmaleren Wegen und auf Schotter Richtung Tarthun. Ich habe gerade Tarthun verlassen, da erblicke ich ihn zum ersten Mal auf dieser Reise: Noch ganz klein und fürs Bild noch zu unscheinbar. Der Brocken! In einigen Tagen werde ich dort oben stehen. Hoffe ich zumindest.
Entlang der Mühlenbode gehe ich nun auf Betonplatten nach Egeln. Erst säumen Getreidefelder den Weg, aber dann gibt es auch mal wieder Wald. Als ich Kinder schreien und johlen höre, vermute ich in der Nähe ein Schwimmbad. Und tatsächlich wird mir auf der Karte in unmittelbarer Nähe eines angezeigt. Da ich mittlerweile dermaßen verschwitzt bin, beschließe ich, dort zu duschen. Ich packe alles, was ich benötige, griffbereit in den Rucksack, betrete das Schwimmbad und zahle 3€. Die sind mir das Duschen wert. Ich frage den Bademeister, wo ich meinen Wagen unterstellen kann, während ich dusche. Er mustert ihn von oben bis unten und meint dann, am besten unter dem Baum da vorne. Aber Duschen? Sie hätten keine Duschen. Nur zum Abduschen direkt am Beckenrand. Diese Info sitzt. Ich bin so perplex, dass ich nicht mal mehr frage, ob ich die drei Euro zurückhaben kann. Um wenigstens nicht völlig umsonst gezahlt zu haben, fülle ich meine Flaschen auf der Toilette mit Wasser auf und wasche mich grob am Waschbecken. Meine Aufenthaltsdauer auf dem Gelände dürfte sich auf unter 5 Minuten bezogen haben.
In Egeln besuche ich noch schnell Aldi und mache mich dann auf den Weg nach Hakeborn. Dort hatte ich den SV Warthe Hakeborn wegen eines Übernachtungsplatzes angeschrieben, der mir von Marcus Drößler zugesagt wurde. Dafür herzlichen Dank!
Die letzten Kilometer ziehen sich jedoch ganz schön in die Länge. Die auf fast 5 km komplett gepflasterte Straße trägt neben dem warmen Wetter dazu bei. Zwar habe ich Glück und kann die meiste Zeit neben dem Kopfsteinpflaster fahren, aber ich spüre dennoch deutlich, dass es Zeit für den Feierabend ist.
Am Sportplatz angekommen, warte ich noch eine Weile und baue dann mein Zelt am Spielfeldrand auf. Plötzlich kommt ein Mann auf mich zu. Erst gehe ich davon aus, dass es Marcus Drößler ist. Doch wie sich herausstellt, handelt es sich um einen angrenzenden Landwirt, der nach dem Rechten sehen will. Er möchte von mir wissen, ob ich eine Befugnis habe, hier zu zelten. Nachdem ich ihm den Namen nenne, scheint er zwar zufrieden, aber skeptisch bleibt er dennoch. Das ist schon etwas komisch alles, meint er. Ich erkläre ihm, was ich mache und vor habe. Doch ich merke schnell, hier prallen Welten aufeinander. Man muss doch produzieren, meint er. Er geht, und ich stelle fest, die Menschen hier in der Region sind anders. Schon über den Tag hinweg ist mir aufgefallen, dass kaum noch gegrüßt wurde. Ein paar Wenige, aber der große Rest schaut einen nur mit stummen und nichtssagenden Blicken an. Das war die ganzen Tage vorher nicht der Fall. Aber gut, auch das ist eben ein Teil von Deutschland.