Die geheime Lagerstätte für Brennstäbe bei Magdeburg
Di., 26.6.2018
Magdeburg – Cracau – Prester – Randau – Schönebeck – Eggersdorf – Eickendorf
Kilometer: 35,6 km
Die erste Nacht seit langem auf einer Matratze. Entsprechend schlafe ich auch hervorragend bei Kristin.
Um kurz nach halb sieben verabschieden wir uns, und ich mache mich wieder auf den Weg. Da ich am Morgen alles, was da lag ohne System in meinen Packsack geschmissen habe, halte ich nur 200 m weiter in einem kleinen Park an und packe den Sack erst mal richtig. So kann es weiter gehen. Wobei mein Campingkocher heute irgendwie besonders laut klappert.
Die ersten 8 km sind mir bereits vom Vortag bekannt, und entsprechend schnell komme ich an der Promenade entlang der Elbe voran.
Ab der Sternbrücke von Magdeburg beginnt für mich Neuland. Durch den Rotehornpark geht es über Wiesen und kleine Wäldchen, sowie einer kleinen Brücke, hinüber zur alten Elbe. Die präsentiert sich, der Trockenheit entsprechend, fast komplett trocken.
Ab Cracau beginnt ein asphaltierter Dammweg und führt mich entlang der Feucht- und Auenlandschaft Richtung Süden. Auf einer Feuchtwiese ist gerade eine Schulklasse damit beschäftigt, Wasserproben zu nehmen und analysiert deren Werte.
Ich merke, dass ich auf dem Elbe-Radweg unterwegs bin. Immer wieder werde ich von Radlern, mal mit mehr, mal mit weniger Gepäck überholt. In der Gegenrichtung das gleiche Spiel. Mein Plakat am Wagen sorgt, wie ich jedes Mal höre, für mächtig Gesprächsstoff, und einige stimmen mir auch zu. Deutschland ist schön.
Plötzlich entdecke ich am Wegrand eine kleine Kirche. Da hat ein findiger Geschäftsmann offenbar eine ganz innovative Idee gehabt. Denn bei der kleinen, alten Kirche handelt es sich um ein Restaurant. Leider hat dieses noch geschlossen. Zu gerne hätte ich es mir von innen angesehen.
Ich bin gerade dabei, Prester zu verlassen, da entdecke ich die Sensation! Nicht Gorleben, nein Magdeburg hat – von allen Medien unbemerkt – eine Lagerstätte für Brennstäbe und spaltbares Material erhalten. Na,, das ist ja ein Ding, was?
Weiter geht es immer entlang des Deiches, als ich vor mir einen VW-Bus mit der Aufschrift “Geophysik” entdecke. Im Hang des Deiches stecken in kurzen regelmäßigen Abschnitten Stäbe, die alle mit einem orange-farbenen Kabel miteinander verbunden sind. Ich kann mir zwar schon denken, dass es hierbei mit großer Wahrscheinlichkeit um Hochwasserschutz geht, aber ich frage trotzdem mal nach.
Der Mann erklärt mir, dass über die Stäbe und die Kabel bei jedem Stab durch elektromagnetische Impulse der Boden bis in eine Tiefe von 6 m auf die Bodenstruktur und Dichte überprüft werden kann. Und damit, ob der Deich saniert werden muss oder nicht. Dass er in manchen Abschnitten nach dem letzten Hochwasser wohl saniert werden sollte, habe ich bereits auf dem Weg entdeckt. Dicke Risse durchziehen den Asphalt, und die zur Elbe hinweisende Deichseite ist deutlich abgesackt. Mit Teer hat man zwar versucht, die Risse zu kitten, aber die Absenkungen existieren immer noch.
Kurz vor Randau verlasse ich endlich den Deich, aber es geht weiterhin auf Asphalt, danach auf Betonplatten weiter. Erst bei einem Wäldchen beginnt ein Schotterweg.
Zu meinem Entsetzen erblicke ich hier eine Eiche mit einem Prozessionsspinnernest. Bitte nicht schon wieder! Die Wunden der letzten Begegnung mit der Raupe sind gerade erst abgeheilt. Zu meiner Erleichterung stelle ich jedoch schnell fest, dass der Eichenanteil in dem Wald verschwindend gering ist, und zudem gibt es im Gegensatz zum Drömling kaum bis gar keinen Wind. Dennoch bin ich froh, als ich den Wald wieder verlasse.
War es bisher den ganzen Tag grau und trüb, ja sogar etwas Nieselregen war am Morgen gefallen, so reißt nun die Wolkendecke immer mehr auf, und es ist Struktur zu erkennen. Selbst winzige blaue Flecken sind zwischen den Wolken zu erahnen. Und dann geht auch alles ganz schnell. Noch vor Schönebeck ist die Sonne mit voller Wucht da. Und sofort wird es warm.
Aus dem Schotterweg vor mir ist mittlerweile wieder ein Asphaltweg geworden. Was auch sonst!? Der fast ausschließlich feste Untergrund macht sich auch zunehmend bei den Füßen bemerkbar. Ich mache daher eine Pause, ziehe die Schuhe und Socken aus und gebe meinen Füßen etwas Zeit .
Nachdem ich Schönebeck durchquert und noch einen kleinen Zwischenstopp bei Aldi gemacht habe, erreiche ich das Gradierwerk von Bad Salzelmen. Die gute Luft ist deutlich spürbar, und ich verharre ein wenig. Natürlich darf auch ein Becher wahrlich leckeren Solewassers nicht fehlen. Doch so wirklich kann ich mich mit dem salzigen Geschmack nicht anfreunden. Da kommen eher ungute Erinnerungen an meine Darmspiegelung hoch. Das Abführmittel schmeckte ungelogen in eine ähnliche Richtung.
Immer an der Bahnlinie entlang geht es durch die ausgedehnten Getreidefelder der Börde. Der Stromgewinnung mittels Windkraft scheint man hier auch nicht abgeneigt zu sein, wie mir das Spargelmeer vor mir aufzeigte.
Auf der zur Bahnlinie zugewandten Seite wachsen sehr viele wilde Mirabellen. Die Büsche biegen sich richtig unter der Last. Sie sind aber leider noch nicht reif.
Wo sind eigentlich meine geliebten Kirschbäume geblieben? Seit zwei Tagen gibt es keine Kirschen mehr. Ich bekomme schon Entzugserscheinungen. Das geht ja gar nicht.
Kurz vor Eickendorf wird mein Wunsch erhört. Wieder ein Baum voller Kirschen. Aber im Gegensatz zu den letzten Tagen sind hier nun einige wurmstichig.
Mittlerweile ist es 17 Uhr, und ich spüre immer mehr den vielen Asphalt. Heute dürfte der Anteil bei bestimmt 95% liegen, was schon extrem ist.
Nach einiger Sucherei übertreffe ich mich dieses mal mit meiner Standortwahl. Keinen Meter vom Feldweg entfernt liege ich im Zelt und man sieht nichts. Wie das geht? Ich hab das Zelt einfach in einem Grünstreifen zwischen Getreidefeld und Weg aufgestellt. Im Inneren ist der Streifen hohl, und zum Rand hin dicht wie eine Hecke.
Nach Auslesen der GPS-Daten staune ich nicht schlecht. 35,6 km sind es heute geworden, und das bei diesem Belag! Neuer Rekord auf der bisherigen Tour.
Am späten Abend genieße ich vom Zelt aus noch einen tollen Sonnenuntergang über dem Getreidefeld und den Windrädern. Müde, aber zufrieden lege ich mich hin.