Bergauf Bergab auf historischen Pfaden
So., 15.07.2018
Herberhausen – Göttingen – Diemarden – Reinhausen – Lichtenhagen – Kirchgandern – Arenshausen –Hohengandern – Bornhagen – Rimbach – Lindewerra
Kilometer: 32,3 km
Um 6 Uhr werde ich von meinem Wecker wach. Die Nacht auf einer Matratze war mal wieder sehr angenehm. Ich packe meine wenigen Sachen zusammen und warte auf Johannes. Der kommt kurz darauf auch herunter. Um kurz nach 7 Uhr verlassen wir das Haus und verabschieden uns. Herzlichen Dank noch einmal für deine Gastfreundschaft, die zahlreichen Erklärungen und das leckere Essen!
Ich verlasse den Ort nach Süden. Leicht geht es in der noch angenehmen Morgensonne den Berg hinauf, vorbei an einem Wildgehege. Als ich gerade mit meiner Kamera zugange bin, kommt ein älterer Mann mit Walking-Stöcken den Berg hinab. Er grüßt kurz und geht weiter.
Nachdem ich von dem Wild einige Bild- und Videoaufnahmen gemacht habe, gehe auch ich weiter. Oben am Berg treffe ich schließlich erneut auf den Mann. Er möchte von mir wissen, ob ich ein paar gute Bilder geschossen habe. Morgens sei das Licht immer am besten. Außerdem fragt er mich, was ich vor habe. Als er meine Reisepläne in Erfahrung bringt, erzählt er mir, dass er in den 50er Jahren einmal um ganz Deutschland mit dem Kajak gefahren sei. So etwas geht heute leider nicht mehr, ergänzt er traurig. Ich denke im ersten Moment, aufgrund der Schifffahrt. Aber er meint, die Flüsse wären heute viel dreckiger als früher. Ich kann das schlecht beurteilen. Nach meinem Eindruck werden sie in den letzten Jahre eher wieder sauberer.
Wir verabschieden uns, und für mich geht es ein Asphalt-Sträßchen den Berg hinab in die Vororte von Göttingen. Ich biege jedoch mit Erreichen sofort wieder nach links in den Wald ab. Auf mehr oder weniger einer Höhe geht es durch den Buchenwald. Kurz vor Diemarden betrete ich wieder Getreidefelder. Im Vergleich zum Freitag ist die Landschaft hier aber wieder lieblicher.
Nach Diemarden geht es erst entlang einer Straße auf einem Radweg nach Reinhausen. Die Häuser wurden hier zum Teil in roten Sandstein geschlagen. Ein Radfahrer, der vorbei fährt, möchte wissen, wo es hin geht. Als er es erfährt, hebt er anerkennend den Daumen und wünscht mir viel Spaß.
Durch ein schönes Tal geht es nun auf Forstwegen vorbei an Pferdekoppeln in den Wald. Auf einer Bank spricht mich plötzlich ein älterer Mann an. Erst meine ich, noch gewisse Vokale zu verstehen, doch schnell begreife ich, ich verstehe kein Wort. Er holt einen Stapel Bilder aus einem Umschlag und fängt an, sie mir zu zeigen. Dazu immer wieder der gleiche Sprachgesang. Ich kann trotz bester Bemühungen kein Wort zuordnen. Ich glaube auch nicht, dass es sich um eine Fremdsprache handelt. Auf den Bildern ist er mit dem Auto, mal auf dem Motorrad und dann wieder an touristischen Attraktionen zu sehen. Dann auch immer wieder eine Frau. Und schließlich ein Grab. Ich realisiere, dass offenbar seine Frau gestorben ist und er nun allein ist. Er macht auf mich jedoch einen etwas verwirrten Eindruck. Ich mache ihm mit Händen und Füßen klar, dass ich weiter muss.
Nur wenige Meter weiter kommt mir eine Frau mit einer Jugendlichen auf einem Pony entgegen. Die ältere Frau lacht und meint, ich bräuchte bergauf so ein Pony für mein Gepäck. Ich stimme ihr lachend zu. Sie möchte wissen, wo meine Reise hingeht und wo ich gestartet bin. Nachdem ich ihre Fragen beantwortet habe, meint sie, sie hätte vor einem Jahr in der Gegend eine Frau getroffen, die hat ähnliches vorgehabt. Nur war diese mit einem Pferd unterwegs. Ist sicherlich auch eine schöne Art zu reisen.
Wir verabschieden uns, und ich laufe weiter durch den Wald bergauf. Weit komme ich jedoch nicht, und ich werde erneut angesprochen. Ein älteres Ehepaar ist es dieses Mal, das Fragen hat. Der Mann ist ziemlich angetan von meinem Wagen. Die Frau hingegen schaut sich mein Plakat an und meint, dass ich da ja noch einiges an Strecke vor mir habe. Sie wünschen mir viel Erfolg und ziehen weiter.
Ich quäle mich immer weiter den Berg hinauf, bis ich schließlich Lichtenhagen erreiche. Von dort geht es zum Glück auf einer Höhe Richtung Süden. Die Landschaft ist nun deutlich mehr von Wäldern geprägt. Ich folge jedoch einem Band mit Wiesen und Hecken. In der Ferne sehe ich neben dem Weg zwei junge Rehkitze grasen. Erst als ich fast vor den beiden stehe, rennen sie davon. Da merkt man noch, wie unerfahren sie sind.
Auf einem schönen Wiesenweg überquere ich die untertunnelte A38. Es ist schon ein seltsames Gefühl, wenn man daran denkt, dass mehrere Meter unter einem die Autos im Erdreich hindurchdonnern.
Die baumfreie Zone zieht sich weiter entlang des Weges, und so langsam dämmert es mir, dass ich hier auf historischem Boden unterwegs bin. Das baumfreie Band mitten im Wald, dem ich schon eine Weile folge, ist der ehemalige Grenzverlauf.
Ich muss daran denken, dass hier vielleicht vor noch gar nicht allzu langer Zeit Menschen ihr Leben verloren haben, beim Versuch nach Westdeutschland zu gelangen. Auf der einen Seite ist es ein bedrückendes Gefühl, hier entlang zu laufen. Auf der anderen Seite ist es auch schön zu sehen, dass durch die Wiedervereinigung solche Touren nun wieder möglich sind.
In der Zwischenzeit sind im Todesstreifen einige Kiefern aufgegangen, ansonsten ist der Grenzverlauf noch gut zu erkennen. Es bedeutet aber auch für mich, ich habe Thüringen erreicht. Links von mir ist Thüringen, rechts Niedersachsen.
Obwohl ich mich eigentlich auf einer Höhe befinde, geht der Weg immer wieder steil in Senken hinab um genauso steil daraus wieder hervor zu steigen. Mit dem Wagen kommt da wahre Freude auf!
Mit Erreichen einer Schaf- und Ziegenherde, die hier den Streifen kurz halten, hat das Achterbahnfeeling aber ein Ende. Auf einer Höhe geht es nun weiter.
An einer Kreuzung mache ich etwas Pause. Das ganze Hoch und Runter strengt ziemlich an. Ein Paar kommt auf mich zu und fragt mich nach meiner Reise. Sie finden das wunderbar. Er erzählt mir, dass er vor einer Woche auch einem jungen Mann begegnet ist, der schwer bepackt nach Norden gezogen ist. Kurz darauf hat er auf dem Weg den Schlafsack des Mannes auf dem Weg gefunden. Er hat ihn dann im Ort an den Weg gehängt, in der Hoffnung, dass der junge Mann ihn wieder findet.
Wir verabschieden uns, und für mich geht es nun bergab nach Arenshausen. Im Ort geht es durch Gewerbegebiete Richtung Hohengandern. Nach Unterqueren der Bahnlinie geht es durch den Ort. Hier fülle ich zum zweiten Mal heute bei einem Friedhof meine Wasserflaschen auf.
Steil geht es den Berg hinauf. Als ich denke, ich sei jetzt oben, kommt eine noch heftigere Steigung. Das gibt es doch nicht! Ich greife nach hinten und ziehe den Wagen hinter mir her. Die Felsen haben hier oben schon einen schieferartigen Charakter.
Endlich hab ich die Anhöhe erreicht. Unter mir liegt Bornhagen, das ich kurz darauf erreiche. Nun geht es erneut steil den Berg hinauf nach Rimbach mit der Burg.
Ich lasse diese jedoch rechts von mir liegen, und laufe über eine Anhöhe durch den Wald zum Aussichtspunkt Werrablick. Von dort soll es hinab ins Werratal gehen. Ein Schild weist darauf hin, dass dieser Weg extrem steil sein wird. Dennoch mache ich mich auf den Weg.
Zum ersten Mal auf meiner Reise kommen nun auch die Trekkingstöcke in Einsatz. Denn der Weg vor mir hat es richtig in sich! Auf Betonplatten mit den typischen Längsschlitzen geht es extrem steil bergab. Der Wagen hinter mir schiebt entsprechend an. In winzig kleinen Schritten taste ich mich so bergab voran. Wenn mir hier der Wagen durchgeht, dann gute Nacht! Ungefährlich ist das Ganze nicht! Aber vor mir her schieben möchte ich ihn erst recht nicht. Da hab ich noch weniger Kontrolle.
In Serpentinen schraube ich mich langsam den Berg hinab. An einer Stelle wird es dann richtig kritisch. Lose Erde liegt wie Rollsplitt auf den steilen Betonplatten. Stück für Stück taste ich mich vorsichtig heran. Geschafft!
Nach einer gefühlten Stunde habe ich sanftere Gefilde erreicht. Zwar immer noch steil, aber bei weitem nicht mehr so kriminell. Eine schöne Schutzhütte liegt mir zu Füßen, und ich beschließe, hier bleibe ich heute Nacht. Erst habe ich vor, wie oberhalb von Oker in der Schutzhütte zu nächtigen. Doch der gepflasterte Boden ist sehr uneben, und ich habe Sorge, mir trotz Schutzfolie den Zeltboden aufzureißen. Ich entscheide mich daher dafür, neben der Hütte mein Zelt aufzuschlagen.
Nach einem Telefonat mit Katharina falle ich müde in mein Bett. Was für ein Tag! Hoch und Runter in allen Variationen.
Servus Markus,
na scheint es dir ja gut zu gehen. Das freut mich sehr.
Zum Wanderwagen: es geht viel besser, den Wagen bergab an steileren Stellen vornweg laufen zu lassen und nur mit der Hand zu führen, auf jeden Fall aber vom Gürtel abkoppeln oder den Gürtel mit abnehmen, um einen Sturz zu vermeiden.
Susi und ich haben übrigens das gleiche wie du beobachtet: Weidetiere reagieren häufig sehr aufgeregt auf uns, wenn wir mit den Wagen unterwegs sind. Keine Ahnung, was sie so denken. Vielleicht freuen sie sich, dass jetzt endlich auch mal Menschen vor einen Wagen gespannt werden? 🙂
Ich wünsch dir weiterhin eine gute Reise.
Viele Grüße
Ralf
PS. Ein Name für den Wagen könnte sich ja von seiner Funktion als treuer Begleiter ableiten, z. B. Amigo, Trabant, compañero… oder eben Appendix 🙂
Hallo Ralf,
vielen Dank für den Tipp. Ich hatte die ersten Meter auch den Versuch gewagt, den Wagen vor mir den Berg hinab zu “schieben”. In vielen anderen Situationen war das auch oft die einzige richtige Entscheidung.
In diesem Fall war jedoch das Gefälle derart steil, in Kombination mit einem kaum griffigen Untergrund, dass ich kaum entgegen wirken konnte. Der Wagen hinter mir war dann letztendlich doch angenehmer, da ich so eine Art Pobremse hatte und mich einfach nur zurück lehnen brauchte. Ein abkoppeln vom Gurt ist aber wirklich sinnvoll, um im Falle eines Sturzes nicht mit in die Tiefe gerissen zu werden. Daran hatte ich anfangs nicht gedacht.
Ich habe übrigens lange übersehen, dass ich im Gegensatz zu Euch mit meinen 120L fast doppelt so schwer beladen bin wie ihr. Ich vermute stark, dass hier auch die Ursache für den Deichselbruch zu finden ist. Bei meinem Gewicht sind Teleskopstöcke einfach nicht mehr machbar.
Mit nun zwar starrer, aber stabiler Deichsel, sind allerdings auch größere Lasten kein Problem mehr. Das Gestell von Andersen ist also als sehr robust zu bezeichnen.
Viele Grüße, auch an Susi
Markus