Unterwegs ohne Wagen = Es wird wild und steil

Mi., 22.08.2018
Kilometer: 28,8 km

Um kurz nach 7 Uhr sitzen René und ich am Frühstückstisch in der Küche und unterhalten uns über unser Hobby. René hat ebenfalls vor, irgendwann eine Fernwanderung zu unternehmen. Ihn reizt der Appalachian Trail. In seinem Arbeitszimmer hat er an der Tür eine große Karte von diesem Trail hängen. Ich ermutige ihn, diesen Traum auch irgendwann umzusetzen. Wir kommen auch auf meinen Gewichtsverlust zu sprechen, und dass dieses Phänomen alle Fernwanderer früher oder später ereilt. Christine Thürmer beispielsweise schwört auf jede Menge Schokolade. Ein Forumsmitglied, der Norwegen der Länge nach durchquert hat, hat am Ende pure Butter gegessen, um sein Kaloriendefizit auszugleichen. Doch bis ich freiwillig in einen Block Butter beiße, muss doch noch einiges geschehen!
Nach dem Frühstück machen wir uns beide auf den Weg. René zu seiner Arbeit, ich in Richtung Zittauer Gebirge. Heute bin ich allerdings ohne Wagen unterwegs. Mit ihm werde ich bei meiner geplanten Tour durch das Gebirge nicht weit kommen. Um so viel wie möglich von der Gegend zu sehen, habe ich vor, den Anfahrtsweg mit der Zittauer Schmalspurbahn ein Stück abzukürzen. Für Tagesausflüge wie diese, halte ich es mit meinem selbstgesetzten Ziel, alles zu Fuß zu laufen, nicht so eng! Normalerweise ist die Zittauer Schmalspurbahn eine dampflokbetriebene Strecke, ähnlich wie die Brockenbahn im Harz. Aufgrund der hohen Waldbrandgefahr wird jedoch derzeit die Strecke nach Jonsdorf nur noch mit einer Diesellokomotive befahren. Und genau dort möchte ich hin! Schade!
Da ich viel zu früh am Bahnsteig ankomme, beschließe ich kurzerhand, die Strecke bis zur nächsten Station weiter zu laufen. So vergeht nicht nur die Zeit, ich spare auch noch Geld. Denn die Zittauer Schmalspurbahn wird im Gegensatz zur Brockenbahn nach Anzahl der befahrenen Haltestellen bezahlt. Ich befinde mich genau im Übergang zum nächsten Tarif.
In Olbersdorf beschließe ich schließlich, auf die Bahn zu warten. Eine rote Diesellokomotive kündigt sich mir kurz darauf auch schon durch Hupen an. Fahrscheine werden hier noch wie früher im Zug gelöst. Meine Fahrt endet jedoch kurz darauf für einen längeren Aufenthalt in Bertsdorf. Hier teilt sich die Strecke nach Jonsdorf und Oybin. Mein Zug wird nach einem 30-minütigen Aufenthalt nach Jonsdorf weiter fahren. Der Folgezug, auf den wir warten, fährt hingegen weiter nach Oybin.

Aufgrund der Waldbrandgefahr heute mit Diesellok

Bis zu diesem Zeitpunkt bin ich davon ausgegangen, dass der komplette Zugverkehr vorübergehend auf Diesel umgestellt wurde. Doch vom Lokführer meines Zuges erfahre ich, dass die Strecke nach Oybin weiter mit Dampf betrieben wird. Und so komme ich wenig später doch noch zu einem Bild der Dampflok. Leider ist dieser Zug so lang, dass die Lok sehr weit vor fährt. Mein Zug fährt jedoch unmittelbar nach Ankunft weiter, sodass mir die Zeit fehlt, vorzulaufen. So fehlt mir am Ende leider eine Seitenansicht der Lokomotive.

Doch die Strecke nach Oybin wird noch mit Dampf betrieben

In Jonsdorf mache ich mich durch den Ort auf den Weg in Richtung “Nonnenfelsen”. Es ist schon faszinierend, wie sich auf kurzer Strecke die Landschaft komplett verändert hat. Gestern noch flaches bis hin zu hügeliges Land, nun habe ich ein ausgewachsenes Mittelgebirge mit imposanten Sandsteinfelsen vor mir.

Aufgrund einer Baustelle wurde ein neuer Weg angelegt

An der Gaststätte „Gondelfahrt“ verlasse ich den Ort und gehe auf wurzeligen Wegen entlang des kleinen Sees in Richtung der Felsen. Hier soll laut meiner Karte ein alter Wanderweg in Serpentinen den Berg hinauf führen. Nach etwas Suchen finde ich auch einen kleinen Trampelpfad, dem ich folge. Steil geht es zwischen Felsen und durch Fichtenwald den Berg hinauf. Oben stoße ich schließlich wieder auf einen markierten Weg und stehe auch schon vor dem Berggasthof “Nonnenfelsen”. Eine Treppe führt mich zwischen den Felsen in die Höhe. Oben habe ich die Möglichkeit, über eine Felsengasse hinweg einen Aussichtspunkt auf einer der Zinnen zu erreichen. Der Berggasthof ist geschlossen, aber das stört mich nicht. Nachdem ich einige Bilder gemacht habe, geht es wieder vom Aussichtspunkt zurück auf den Wanderweg.

Die Nonnenfelsen mit Gasthof

Nachdem ich einige Felsen umrundet habe, stehe ich schließlich in der Felsengasse, die durch einen Lavafluss entstanden ist. Zahlreiche Treppenstufen führen mich in dieser Gasse den Berg hinab. Über mir befindet sich auf den Zinnen der Nonnensteig, einer der anspruchsvollsten Klettersteige in der Gegend. Den Einstieg dieses Klettersteiges finde ich wenig später zu meiner linken Seite vor mir.

Einstieg in den Klettersteig “Nonnensteig”

Durch den dichten Fichtenwald geht ich wieder zurück in Richtung “Gondelfahrt”. Doch kurz bevor ich das Gasthaus erreiche, biege ich nach rechts ab und steige durch die Jonsdorfer Felsenstadt – eine Ansammlung imposanter Sandstein/Basaltfelsen – wieder den Berg hinauf. Ich komme an zahlreichen Felsen vorbei, die interessante Namen tragen: Der Dackelfelsen zum Beispiel. Einige der beschriebenen Figuren kann ich mit viel Phantasie in den Felsen auch erkennen, andere hingegen bleiben mir verborgen.

Aufstieg durch die Felsenstadt

Kurz darauf erreiche ich die Orgelsteine. Wie Orgelpfeifen stehen die Basaltsäulen auf einer Anhöhe im Wald. Sie sind durch Vulkanismus entstanden. Von hier hat man einen tollen Blick in Richtung Westen und Norden.

Die Orgelfelsen aus Basalt

Weiter geht ich zum Schwarzen Loch. Das ist ein ehemaliges Bergwerk mitten im Wald. Durch eine tiefe Schlucht gelange ich zu dem imposanten Loch im Berg. Laut meiner Karte führt ein Weg um das Loch, um schließlich durch einen Stollen hindurch unter dem Wanderweg wieder hindurch zu führen. Na, das ist doch was für mich! Ich laufe daher weiter auf dem schmalen Waldweg, stehe kurz darauf gegenüber auf einem Aussichtspunkt und blicke in die Grube. Weiter wandere ich nun deutlich abwärts um das Bergwerk. Doch mein Plan geht leider nicht auf: Ein Tor versperrt den Weiterweg in Richtung Stollen. Offenbar ist eine Begehung nur mit einer Führung möglich. Hier erfahre ich allerdings, dass der Kessel durch einen Einbruch der Decke entstanden ist. Der Stollen war früher der Zugang zum Bergwerk.

Schlucht zum Schaubergwerk “Schwarze Loch”
Das Schaubergwerk mit Stollen im Hintergrund

Nachdem mir der Weiterweg versperrt ist, steige ich wieder zu der Schlucht auf und stehe so wenig später wieder auf dem Wanderweg. Dann bleibt eben alternativ nur der Abstieg über die Treppen an der Seite. Über diese gelange ich schließlich auch an das andere Stollenende. Über eine kleine Forststraße steige ich hinab in einen Stadtteil von Jonsdorf. Ich halte mich jedoch nach rechts in Richtung der tschechischen Grenze. Über einen schönen Wiesenpfad geht es leicht ansteigend Richtung Wald und durch einen Buchenmischwald weiter in Richtung Johannisstein. Dieser liegt auch kurz darauf vor mir. Steil führt ein Wiesenpfad über eine große Wiesenfläche den Berg hinauf. Mit meinem Wagen würde ich hier kaum voran kommen. Doch ohne ihn ist es für mich kein Problem. Oben habe ich nicht nur die tschechische Grenze erreicht, ich habe auch einen tollen Blick auf Oybin und in Richtung zum Riesengebirge.

Blick nach Oybin vom Johannisstein

Mein Weg führt mich nun direkt auf der Grenze Richtung Südosten nach Hain. Von René habe ich den Tipp bekommen, den Hochwald von tschechischer Seite zu besteigen. Dort gehe es zwar steil bergauf, aber es sei schöner. Ich komme da in eine Zwickmühle, da ich mir eigentlich vorgenommen habe, auf meiner Tour Deutschland nicht zu verlassen. Doch nach einem Blick auf die Karte stelle ich fest, dass der Wanderweg, den René beschrieben hat, genau auf der Grenze verläuft. Das ist für mich in Ordnung.
Ich steige einen steilen, steinigen Pfad langsam den Berg hinauf. Doch noch befinde ich mich auf dem falschen Weg. Ich verlasse daher kurz darauf diesen und biege nach rechts auf einen Waldweg ab. Dieser führt mich auf einer Höhe zu dem Wanderweg genau auf der Grenze. Nun bin ich richtig. Steil geht es den Weg durch den Fichtenwald hinauf. Je höher ich komme, umso felsiger wird er. Zeitgleich ändert sich die Vegetation hin zu einem lichten Ebereschenwald mit Heidelbeeren-Unterbewuchs. Den Heidelbeeren hat die Trockenheit jedoch schwer zugesetzt: Soweit das Auge reicht, sieht man nur braune Blätter.

Aufstieg auf den Hochwald
Und Blick vom Hochwald nach Westen

Oben habe ich einen tollen Rundumblick. In der Ferne sieht man die Lausche, den höchsten Berg Deutschlands östlich der Elbe. Leider hat mir dafür die Zeit nicht gereicht! Ich werde ihn ein anders Mal besteigen. Am meisten fasziniert mich jedoch der Blick nach Tschechien: Zahlreiche Hügel und Berge breiten sich dort vor mir aus.
Nach einem kurzen Abstieg erreiche ich wenig später den Hochwaldturm, den ich besteigen will. Eine Wendeltreppe aus Holz, die mit jedem Stockwerk schmaler wird, führt mich nach oben. Laut knarzt und quietscht das Holz unter mir! Hoffentlich hält das! Das Holz sieht zwar noch sehr neu aus, aber die Auflageflächen der Trägerbalken in der Wand machen keinen sehr guten Eindruck mehr. Überall bröckelt das Gestein weg. Oben habe ich erneut einen wunderbaren Rundumblick. Im Prinzip ähnlich wie auf dem Gipfel, aber der Turm hat sich dennoch gelohnt!

Der Hochwaldturm
Holztreppe im Inneren
Blick nach Oybin und Zittau
Panarama vom Hochwaldturm, Rechts der Gipfel ist die Lausche

Nachdem ich wieder abgestiegen bin, gehe ich auf einem sehr steilen und felsigen Weg hinab ins Kammloch. Das ist eine Senke zwischen zwei Gipfeln, durch die eine Straße führt. An dieser ein Stück entlang, erreiche ich kurz darauf die ersten Felsen der Felsengasse. Von dieser hatten mir sowohl René als auch sein Arbeitskollege vorgeschwärmt. Und in der Tat kann sich diese sehen lassen! Steile Sandsteinfelsen links und rechts säumen den schönen Pfad. Immer wieder hat man einen herrlichen Blick auf Oybin. Und so stehe ich wenig später vor dem nächsten Höhepunkt dieser Tour: Dem Scharfenstein. Mehrere Eisenleitern bzw. steile Eisentreppen ermöglichen hier die Besteigung des Massivs. Von oben hat man wieder einen tollen Blick in alle Richtungen.

Der Scharfenstein
Panorama über Oybin
Blick in Richtung Riesengebirge in Tschechien

Weiter geht es nach Norden in Richtung Töpfer. Ich beschließe jedoch, noch einen Abstecher zum Geldstein zu machen. Laut der Karte sieht es hier interessant aus. Ich verlasse daher über Treppen und kurze Leitern wieder das Plateau und marschiere durch schönen Fichtenwald, um nur wenig später an den beschriebenen Felsen wieder den Berg aufzusteigen. Zwischen zahlreichen Felsen geht es kreuz und quer wieder hoch aufs Plateau, wo ich die böhmische Aussicht erreiche.

Die böhmische Aussicht ist erreicht. Von ihr hat man einen tollen Ausblick…
… tolle Aussicht…
Okay, zugegeben kleiner Scherz

Von dieser komme ich innerhalb kurzer Zeit über schmale Pfade zum Töpfer. Eine Bummelbahn auf Rädern hat hier tatsächlich Seniorengruppen zum Berggasthof – die hier übrigens Bauden genannt werden – hochgekarrt. Vom Töpfer hat man einen tollen Blick in Richtung Zittau und Norden. Außerdem gibt es einen Aussichtsfelsen, der über eine Metallwendeltreppe bestiegen werden kann. Das habe ich so auch noch nicht gesehen.

Fels am Töpfer

Ich wandere nun weiter deutlich bergab zu den Gratzer Steinen, interessante Sandsteinfelsen im Wald! Mit diesen habe ich meine Runde im Zittauer Gebirge auch beendet. Eine Forststraße führt mich kurz darauf in Richtung “Teufelsmühle”, von wo ich mich auf weiteren Forstwegen in Richtung Osten aufmache. René hat mir den Tipp gegeben, auf einem Feldweg auf einer Anhöhe zurück nach Zittau zu laufen, falls ich die letzte Bahn nicht erreichen sollte. Das sei schöner als unten im Tal. Und die letzte Bahn habe ich um knapp 40 Minuten verpasst. Aber das macht nichts, ich fühle mich immer noch topfit.

Blindschleiche auf Forststraße

So laufe ich kurz darauf auf besagten Mittelweg mit einem schönen Blick nach Ost und West in Richtung Zittau. Kurz vor Erreichen von Zittau biege ich jedoch an den schönen Olbersdorfer See ab. Der See mit den Bergen des Zittauer Gebirges im Hintergrund bilden eine schöne Kulisse.

Olbersdorfer See mit Zittauer Gebirge im Hintergrund

Kurz darauf treffe ich auch wieder auf René, mit dem ich zusammen auf das Gartengrundstück gehe. Während René die Pflanzen gießt, ernte ich mir ein paar Pflaumen für die Weiterreise am nächsten Tag. Am Abend beschließen wir, noch in der Innenstadt etwas essen zu gehen. Während wir bei lauen Temperaturen im Licht von Straßenlaternen auf dem schönen Platz sitzen, stellt auch René fest, dass es hier in Zittau eine südländische Atmosphäre gibt.
Zurück in der Wohnung, treffen wir auch wieder Jeanette, die von ihrer Spätschicht heim gekommen ist. Bei leckerem Federweiser lassen wir zu dritt den Abend ausklingen.

Zittau in der Nacht

2 Gedanken zu “Unterwegs ohne Wagen = Es wird wild und steil”

  • An dieser Stelle ist der Moment für uns gekommen, hier einen kurzen Beitrag zu hinterlassen. Wir möchten dir dafür danken das du bei uns einen Stop eingelegt hast und wir ein Teil deiner Wanderung werden konnten! Wir hoffe du konntest die Zeit hier genießen und das Zittauer Gebirge bleibt dir in guter Erinnerung!
    Wer weiß wann sich unsere Wege wieder kreuzen, aber bis dahin wünschen wir dir alles erdenklich gute auf deiner Reise und noch viele Schöne momente!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert