Zu Zweit unterwegs durch Tschechien
Mi., 05.09.2018
Fichtelberg – Bozi Dar – Myslivny – Horni Blatna – Potucky – Johanngeorgenstadt
Kilometer: 26,6 km
Die Nacht verlief sehr ruhig, und als ich um 7 Uhr aufstehe, ist auch mein Zelt trocken. Ich kann es daher sofort zusammenpacken. Im Schutz der Schutzhütte bereite ich mein Frühstück vor. Es ist für die Höhe, immerhin über 1000 m, zwar frisch, aber auch nicht gerade eisig kalt.
Mit den ersten Sonnenstrahlen, die über den Hang des Fichtelberges hinweg strahlen, mache ich mich auf den Weg zum Skizentrum, wo ich mich wieder mit Norman verabredet habe. Der geschotterte Weg führt mich leicht absteigend direkt dort hin. Da bis um 10 Uhr noch etwas Zeit ist, beobachte ich die zukünftigen Biathlonstars beim Training. Ich muss dabei feststellen, dass gegenüber den Kindern ein recht rauher Tonfall herrscht. So ruft der Trainer einer schätzungsweise 12-jährigen zu: „Willst du fahren wie ein Touri? Die Konkurrenz macht drei Schritte und ist 20 Meter davon, die holst du nie wieder ein!“
Kurz darauf kommt Norman angelaufen. Von ihm erfahre ich, dass er hier viele Jahre als Athlet im Sportinternat verbracht hat. Der Leistungsdruck sei enorm gewesen. Norman hatte mir am Vortag schon eine Route vorgeschlagen, die allerdings größtenteils über tschechisches Gebiet verläuft. Ich hatte ihm noch am Abend geschrieben, dass ich bei meiner Tour Deutschland eigentlich nicht verlassen wolle. Doch während ich auf Norman gewartet habe, habe ich meine Karte studiert. Wenn wir auf deutschen Seite bleiben würden, hätten wir zahlreiche heftige Anstiege nur im Wald vor uns. Ich ändere daher spontan meinen Vorsatz und teile Norman mit, dass wir doch besser seine Route über tschechisches Gebiet nehmen werden. Hier hat man eine interessantere Landschaft und auch weniger Höhenmeter, was mit dem Wagen doch angenehmer ist!
Und so verlassen wir kurz darauf auf einer Landstraße Deutschland. Vor uns breiten sich tolle Wiesen und Hochmoore aus. Dazwischen liegt ein kleiner Ort, der laut Norman die höchste Stadt Mitteleuropas ist. Nach Durchqueren der „Stadt“, gehen wir einen asphaltierten Weg in Richtung Westen. Als wir an Stegen vorbeikommen, die in ein Hochmoor führen, beschließen wir, dort einen Abstecher hinein zu machen. Auf diesen Holzstegen geht es durch eine typische Hochmoorvegetation.
Nach einiger Zeit beschließen wir jedoch, wieder umzukehren. Weiter laufen wir auf schmalen, kaum befahrenen Landstraßen durch die schöne Landschaft. Immer wieder hat man einen schönen Blick zurück auf den Fichtelberg, aber auch auf die umliegenden Berge.
Die Entscheidung, in diesem Bereich Deutschland ein Stück zu verlassen, hat sich schon jetzt gelohnt! Als wir nach einiger Zeit an einer bewirteten Hütte vorbeikommen, beschließen wir, dort einzukehren. Hier macht sich der Unterschied des Zu-zweit-Wanderns deutlich bemerkbar: Denn ich wäre garantiert daran vorbeigelaufen. Es gibt ein leckeres Gulasch mit Knödeln zu essen. Auffallend sind zahlreiche Angebote mit Nutria in Tschechien. Offenbar wird das Nagetier in Tschechien öfters verspeist.
Gut gestärkt laufen wir weiter. Norman erzählt mir von einem tiefen Spalt, der durch den Einbruch eines Schachtes entstanden ist. Hier findet man noch bis in den Sommer Schneereste. Er fragt, ob ich Lust hätte dort hin zu gehen. Natürlich habe ich Lust dazu! Und so biegen wir schließlich an der Landstraße nach rechts ab, und durch einen dichten Fichtenwald steigen wir hinauf zu einem Aussichtsturm. Ab hier beginnt ein sehr alpiner Weg. Teilweise müssen Norman und ich zu zweit meinen Wagen tragen, da ein Vorwärtskommen ohne den Wagen kaum möglich ist. Doch der Aufwand hat sich gelohnt! Steil geht es hinab in die tiefe Kluft. Und tatsächlich, da unten an der tiefsten Stelle liegt noch Schnee!
Wieder oben angekommen, wandern wir an weiteren tiefen, teils canyonartigen Klüften den anspruchsvollen Weg weiter bergab.
Unten stoßen wir auf ein kleines verschlafenes Nest, das wir nach rechts wieder zum Waldrand hin verlassen. Auf einem geschotterten Waldweg geht es immer weiter bergab. Doch durch die vielen Gespräche haben wir nicht richtig auf die Umgebung geachtet, und stellen plötzlich fest, dass wir nicht mehr da sind, wo wir eigentlich sein wollten. Wir studieren meine Karte und mutmaßen, wo wir stattdessen gelandet sein können. Wir beschließen, einem rasenartigen Weg durch den Wald zu folgen und landen schließlich auf einer schönen Weide. Zwei Kühe laufen hier völlig frei ohne jeden Zaun zwischen zwei Häusern auf der Weide herum. Und kaum hat mich eine der beiden mit meinem Wagen erspäht, setzt sie sich schon in Bewegung auf uns zu. „Oh nein! Gleich bekommen wir Besuch!“ sage ich zu Norman und erzähle ihm von den Reaktionen der Kühe auf meinen Wagen. Bisher war da immer ein Zaun dazwischen, doch dieses Mal gibt es diesen nicht. Und hat diese Kuh überhaupt ein Euter? Wir suchen, können aber nichts entdecken. Wenn das nun auch noch ein Bulle ist? Doch wir haben Glück. Die Kuh, die letztendlich doch einen Euter hatte, hält dann doch Abstand zu uns.
Über einen Waldweg steigen wir hinab ins Tal nach Johanngeorgenstadt. Ursprünglich hatte Norman vor, von hier aus wieder mit der Bahn zurückzufahren. Doch er hat so viel Freude am Wandern, dass er mich fragt, ob ich etwas dagegen habe, wenn er mich morgen weiter begleiten werde. Er würde sich dann in der Jugendherberge ein Zimmer nehmen. Ich habe nichts dagegen einzuwenden, und nach einem Anruf ist klar: Wir werden morgen weiter zusammen unterwegs sein. Steil geht es nach Johanngeorgenstadt hinauf. Norman erzählt mir, dass diese Stadt ursprünglich viel größer war. Durch mögliche Bergbaueinstürze sind große Teile der ehemaligen Stadtfläche unbewohnbar geworden. Der Ort verlagerte sich dadurch den Berg hinauf.
Am Hang verabschieden wir uns und machen einen Treffpunkt für den nächsten Morgen aus. Als ich weiter laufe, verstehe ich, was Norman meinte. Ich komme durch zahlreiche Straßen, in denen früher Häuser standen, wo heute jedoch nur Brachflächen sind, die mit jungem Wald bewachsen sind. Weiter oben erreiche ich schließlich wieder Wohngebiete und das neue Ortszentrum.
Nachdem ich noch etwas eingekauft habe, gehe ich weiter den Berg hinauf. Ursprünglich war mein Ziel eine Schutzhütte. Als ich jedoch an einem großen, geschotterten Parkplatz lande, der zu einem Ski-Trainingszentrum gehört, beschließe ich, hier zu bleiben und baue im bewachsenen Randstreifen mein Zelt auf. Ich bin sehr gespannt, wie der nächste Tag verlaufen wird. Nachdem ich meinen Bericht angefertigt habe, rufe ich Katharina an.
Das ist ja toll mit der Reisebegleitung. Schön wenn ihr euch versteht und du so etwas Abwechslung hast. Und dadurch die Möglichkeit bekommst an Orte zu gehen wo du alleine nie hin gegangen wärst. Oder wärst du auch allein in den Canyon gekraxelt? weiterhin viel Freude am Laufen.:-) ist bei dir eigentlich schon mal der Punkt gekommen an dem du morgens aufwachst und denkst “ach nee nicht schon wieder alles zusammen packen und laufen?“ und du das Gefühl hast du bräuchtest mal ein paar Tage Auszeit?
Ganz liebe Grüße, deine Barbara 🙂
Sehr schön, dass du deine “fixe” Vorgabe aufgegeben hast, Deutschland nicht zu verlassen! Ich dachte mir schon die letzten male wanns wohl so weit ist…
Bei deinen letzten Bericht kam mir auch oft der Gedanke, dass man deutlich den Unterschied zwischen allein und zu zweit reisen bemerkt. So konnten wir uns auch wieder mal erklären warum alleinreisende Radler oft 150 km+ am Tag machen. Alleine macht man scheinbar weniger / kürzere Pause und bleibt scheinbar auch am Nachmittag eher nicht an einem schönen Fleck sondern läuft eher weiter…