Nebel, mächtige Eiche und jede Menge Höhenmeter
Mo., 08.10.2018
Niederstetten – Sichertshausen – Eichswiesen – Kälberbach – Sigisweiler – Blaufelden – Schuckhof – Rot am See – Niederwinden – Wallhausen – Gröningen – Satteldorf
Kilometer: 34,2 km
Als ich am Morgen um 7.30 Uhr aufwache, ist es im Zelt noch dämmrig. Ich drücke daher den Wecker aus und schlafe wieder ein. Wach werde ich knapp eine Stunde später. Immer noch ist es nicht wirklich hell im Zelt. Eigentlich müsste doch längst die Sonne auf mein Zelt scheinen! Ich öffne vorsichtig das nasse Außenzelt und sehe den Grund für das Schummerlicht: Dichter Nebel!
Die Suppe ist so dick, dass ich mir erst gar keine Hoffnung mache, in absehbarer Zeit auf Sonne hoffen zu können, die mein Außenzelt trocknet. Ich packe daher zusammen und wische das Außenzelt notdürftig mit einem Lappen „trocken“. Dank der Hütte habe ich zumindest eine trockene Ablage für meine Utensilien und kann so ohne Probleme meinen Packsack packen. Um 9.30 Uhr wandere ich los, rein in den dichten Nebel. Nach 200 m wandelt sich die Asphaltdecke in einen Schotterweg. Ich bin begeistert, endlich einmal keinen Asphalt mehr unter den Füßen zu haben!
Plötzlich taucht aus dem Nebel ein Traktor auf mit einem Balkenmäher an einem Greifarm. Damit mäht er die Kante zu seinem Feld. Im Nebel macht die Erscheinung im ersten Moment einen bedrohlichen Eindruck! Parallel zu meinem Weg fährt er über das Feld. Ich bin noch gut 50 m von ihm entfernt, da schießen bereits kleine Steine an mir vorbei! Ach, du Schande! denke ich mir. Nicht auszudenken, wenn mir so ein Geschoss an den Kopf knallt. Der Landwirt scheint aber kein Interesse zu haben, seine Maschine für den Moment auszuschalten. Gesehen hat er mich auf jeden Fall. Ich gebe daher mächtig Gas und schaue, dass ich schnell davonkomme.
Leicht geht es zwischen Ackerflächen den Berg hinauf. Es entsteht eine surreale Stimmung im Nebel: Vor mir absolut nichts, links und rechts weißer Sumpf, und hinter mir verschwindet auch der Weg wieder im Nirgendwo. Einzig ein Umkreis von vielleicht 50 m ist sichtbar. Nach und nach tauchen plötzlich Bäume im Nebel auf, werden immer deutlicher, je näher ich komme, und verschwinden schließlich hinter mir wieder im Einheitsgrau. So erreiche ich schließlich Sichertshausen. Das ist der Ort, den mir der alte Mann am Abend zuvor noch als den Standort einer uralten Eiche genannt hat. Doch wo steht sie? Im dichten Nebel wird die Suche nicht einfach. Er hatte etwas von außerhalb des Ortes gesagt, aber nicht genau in welcher Himmelsrichtung, nur dass man sie bereits von weitem sehen würde. Bei gutem Wetter vielleicht, aber nicht bei der aktuellen Wetterlage! Ich beschließe, auf gut Glück der Ortsstraße nach Süden zu folgen. Es geht im Nebel an einer Apfelbaumallee wieder den Berg hinauf. Plötzlich erscheinen vor mir die mächtigen Konturen eines Baumes am Horizont. Das könnte die gesuchte Eiche sein. Ich laufe weiter die Straße entlang. Und tatsächlich steht sie schließlich vor mir. Majestätisch, mit weit ausladenden Ästen.
Der Stamm ist wirklich sehr riesig, an die von dem alten Mann genannten 9 m kommt sie aus meiner Sicht jedoch nicht heran. Ich schnalle meinen Wagen ab und berühre ehrfurchtsvoll die kräftige Borke der Eiche. Was sie wohl schon alles miterlebt hat? Wie viele Generationen haben hier wohl schon unter dem dichten Laubdach Picknick gemacht? Ich fühle mich plötzlich winzig klein. Sie hat Menschen kommen und gehen sehen. Auch mich wird sie mit großer Sicherheit überleben.
Als ich gerade wieder aufbrechen möchte, kommt ein Mann angefahren, mit einer Kamera in der Hand. Er fragt mich, was mich hier her verschlagen hat und was ich in meinen Wagen transportiere. Er ist ziemlich beeindruckt, als er von meiner Reise erfährt. Er erzählt mir, dass die Eiche direkt auf einer Wasserader steht und durch ihre freie Lage beste Bedingungen vorgefunden hat. Außerdem erzählt er mir noch etwas zur Hohenlohischen Geschichte. Ich solle aufpassen, denn in der dünn besiedelten Gegend fände man nicht nur schlecht was zu „mampfen“, immer wieder würden sich die Leute auch verirren, erst recht bei einem Wetter wie heute. Manch einer wäre da schon unbewusst im Kreis gelaufen. Ich kann ihn jedoch beruhigen: Schließlich habe ich eine gute Karte und zur Not ein GPS-Gerät dabei.
Auf einem asphaltierten Feldweg verlasse ich die großartige Eiche. Ich laufe im Nebel erst einmal zurück in eine Senke, bevor ich nach rechts abbiege und wieder den Berg hinaufsteige. Zahlreiche Birnenbäume wachsen hier. Die meisten sind jedoch nur für Most geeignet. Aber schließlich finde ich auch eine essbare Sorte. Ich erreiche Eichswiesen und umrunde das kleine Gehöft. Auf weiteren Feldwegen geht es in Richtung Süden, natürlich wieder auf Asphalt.
In einer Senke biege ich in einen Schotterweg ein. Die Wegbeschaffenheit hält jedoch nur kurz an, denn nach bereits 300 m habe ich wieder Asphalt unter meinen Füßen. Ich laufe nach links den Berg hinauf. Links und rechts gibt es sehr viele Felder und Wiesen. Immerhin hat sich der Nebel in den letzten 30 Minuten kontinuierlich angehoben, und auch die Sonne lässt sich milchig immer wieder kurz blicken. Erste blaue Flecken sind andeutungsweise am Himmel zu erkennen. Lange kann es nicht mehr dauern, und die Sonne ist da.
Nach Überqueren einer Landstraße führt mich ein kleines Sträßchen nach Kälberbach. Ich habe den kleinen Ort noch nicht richtig erreicht, da reißt der Himmel auf und die Sonne scheint von einem wolkenfreien blauen Himmel herunter. Nur in Richtung Süden hängt noch die Nebelsuppe. Aber lange wird sie sich dort auch nicht mehr halten können.
Ich durchquere Kälberbach und laufe entlang von gelbem Ahorn durch die Ackerlandschaft. Zwar sind die vielen Äcker auch hier sehr dominant, im Gegensatz zur Landschaft südlich von Würzburg lockern hier jedoch einige Bäume und Hecken die Landschaft auf. Ich überquere eine Bahnlinie und folge nach rechts dem Feldweg nach Sigisweiler. Als ich den kleinen Ort erreiche, ist vom Nebel nichts mehr zu sehen. In der Sonne ist es sofort warm geworden. Im Gegensatz zum Vortag scheinen jedoch die Temperaturen etwas niedriger zu liegen, denn ich behalte meinen Pullover an.
Durch ein kleines Wäldchen führt mich die feldwegbreite Straße nach Blaufelden. In dem Ort versuche ich noch einmal mein Glück bei Aldi. Doch auch hier gibt es nicht den Schwäbischen Kartoffelsalat, den ich früher immer so geliebt habe. Haben sie den etwa aus dem Sortiment genommen? Oder gibt es den wirklich nur so regional? Ich suche mir eine Alternative und verlasse wieder den Supermarkt. Auf dem Friedhof schräg gegenüber fülle ich meine Flaschen wieder mit Leitungswasser. Ich verlasse den Ort nach Süden auf einer kleinen Straße. Etwa 200 m nach Ortsende mache ich an einer Bank Pause und hänge mein nasses Außenzelt in einen Pflaumenbaum zum Trocknen auf.
Wie schon am Vortag macht mir der permanente Asphaltbelag in den neuen Schuhen Probleme. Die feste Sohle dämpft ganz offensichtlich nicht so gut wie die alten Schuhe von Adidas. Dadurch bekomme ich bereits zum Mittag das Gefühl, mit Plattfüßen durch die Gegend zu laufen.
Als ich schließlich weiterlaufe, kommt ein Landwirt mit seinem Traktor angefahren, der hinter sich schweres Gerät zum Bearbeiten des Feldes herzieht. Als er mich sieht, winkt er mir freudestrahlend vom Feld aus zu. Ich winke ebenso freudestrahlend zurück. Ich habe unterwegs schon sehr viele Landwirte gesehen, aber mir fällt seit Betreten von Baden-Württemberg die Freundlichkeit der Landwirte hier auf: Da wird gegrüßt und sich auch bedankt, wenn man ihnen am Wegrand Platz macht.
Über weitere Asphaltsträßchen zwischen den Äckern gehe ich hinab nach Rot am See, vorbei an einigen Windrädern, die hier auf den Feldern stehen. Nach Überqueren der B290 geht es hinab ins Tal der Brettach. An einem Campingplatz vorbei führt mich mein Weg durch ein Wohnviertel zum Bahnhof. Nach Unterqueren der Zugstrecke stehe ich schließlich wieder an der B290, die ich im Ort erneut überquere. An einem Sportplatz vorbei steige ich wieder den Berg hinauf, um schließlich in einer Birkenallee hinab nach Niederwinden zu laufen.
Auch wenn ich mich heute im Großen und Ganzen auf einer Höhe bewege, fernab von den größeren Flüssen, geht es heute permanent auf und ab. Es sind nicht viele Höhenmeter, aber eben kontinuierlich. Und das spüre ich zunehmend in meinen Beinen. Es wundert mich daher auch nicht, dass es am Ortsende von Niederwinden schon wieder den Berg hinaufgeht, hinauf zum Drachenwald. Wer glaubt, ich würde nun hier auf Schotterwege stoßen, den muss ich enttäuschen: Auch hier wandere ich auf Asphalt durch den Wald, immer wieder leicht ansteigend, um dann wieder in eine Senke hinunter zu laufen. So erreiche ich schließlich auch Wallhausen.
Mit den Herbstfarben stellt sich eine schöne Abendstimmung ein! Ich gehe jedoch erst einmal auf einem wieder auf- und absteigenden Feldweg parallel zur B290 in Richtung Süden. In der Ferne ist bereits das Rauschen der A6 zu hören. Doch bevor ich diese unterquere, muss ich wieder den Berg hinauf nach Gröningen.
Im Ort steige ich wieder recht steil hinab ins Tal der Gronach. So langsam muss ich mir Gedanken machen, wo ich für die Nacht mein Zelt aufstellen kann. Denn es wird in weniger als einer Stunde dunkel werden. Ich entscheide mich daher, nach Unterqueren der A6 nach rechts hinauf zu einem Sportzentrum zu laufen. Am Rande des südlichen Fußballplatzes beschließe ich schließlich, mein Nachtlager zu errichten. Auf einer Art Terrasse liege ich erhöht über der Straße, mit freiem Blick in Richtung Süden. Als ich in der Dämmerung mein Zelt aufbaue, fängt hinter mir der Himmel an, rosa zu leuchten.