Optimierungen am Hüftgurt und der Sturm
Di., 23.10.2018
Schliersee – Breitenbach – Gschwandhof – Hennerer Au – Kühzagl-Alm – Erlach – Rottach-Egern – Oberhof – Kreuth
Kilometer: 19,5 km
Am Morgen wache ich noch vor Sonnenaufgang auf und beobachte, wie die Sonne hinter dem Berg aufgeht und die Nebelschwaden über dem Schliersee in ein helles Licht taucht. Ich nutze die Liegen an meinem Zelt und breite dort meinen Schlafsack sowie das Innenzelt zum Trocknen aus. Meine Stimmung ist heute Morgen wieder besser, was auch daran liegt, dass ich über Nacht eine neue Idee bekam: Ich kann den Druck auf die Hüften verhindern, wenn ich mir eine Art Hosenträger bastele, der verhindert, dass der Hüftgurt immer hinten nach unten gezogen wird.
Ich mache mich sofort ans Werk und schneide mir zwei gleich lange Stränge Paracord ab, das ich mitgenommen habe. Ich bilde an den Enden jeweils eine Schlaufe und hänge dort Karabiner ein, die ich noch von den letzten Gummibändern übrig habe. Mit einem Messer durchtrenne ich das Lüftungsgitter am Hüftgurt und hänge dort die Karabiner ein. Dank der stabilen Naht sollte das halten! Nachdem ich alles verpackt habe, mache ich mich daran, meine Konstruktion zu testen. Ich schnalle den Hüftgurt wie gewohnt um, lege mir die Schnüre über die Schulter und hänge sie vorne in die Gürtelschlaufen meiner Hose ein. Sofort ist eine Entlastung auf den Hüften zu spüren. Der Druck auf der Schulter lässt sich vernachlässigen. Wenn es doch stören sollte, kann ich noch irgendetwas zum Polstern unterlegen oder muss die Schnüre gegen Bänder austauschen.
Ich wandere auf dem Schotterweg los, werde aber nach 100 m bereits wieder ausgebremst. Die Bahnlinie muss überquert werden, und dazu muss ich einige Treppenstufen hinauf- und gegenüber wieder hinuntersteigen. Auf der anderen Seite der Bahnlinie gehe ich nach rechts auf einem Asphaltweg weiter.
Als ich Breitenbach erreiche, biege ich nach links in ein Seitental ab. Anfangs geht es noch steil eine Straße durch das Wohnviertel hinauf. Als ich jedoch einen Stauweiher erreiche, laufe ich ebenerdig auf einer kleinen Straße durch das Tal weiter. Ich steige leicht den Berg hinauf nach Gschwandhof. Große Weiden ziehen sich auf der rechten Talseite den Berg hinauf. Kühe sieht man hier aber nicht. Im kleinen Örtchen Hennerer Au biege ich nach links in ein Seitental ab und folge einem kleinen Gebirgsbach auf einem Schottersträßchen. Leicht aber stetig steige ich bergauf durch einen Mischwald. Immer wieder wird die Bachseite gewechselt. In kleinen Stufen fällt der Bach hinab ins Tal. Nach ungefähr 2 km zieht die Steigung deutlich an, und ich beginne rasch zu schwitzen. Meine Konstruktion mit dem Paracord funktioniert hier wunderbar! Trotz der Steigung habe ich keine Schmerzen mehr auf den Hüften.
Schließlich lichtet sich der Wald, und ich betrete eine größere Alm (die Untere Krainsberger Alm). Immer weiter klettere ich den Berg hinauf. Der Himmel ist zunehmend milchig geworden, und es kommt ein böiger Wind auf. Ich bin froh, warm angezogen zu sein. Nachdem ich die Alm überquert habe, gehe ich auf dem Schotterweg wieder in den Wald. Ich will gerade mit meinem Smartphone ein Bild machen, da fällt mir das komplette Display entgegen. Nur durch ein Kabel ist es noch mit meinem Smartphone verbunden. Ach du Schreck! Im ersten Moment denke ich, das war es jetzt. Das Handy ist kaputt, ich bin nicht mehr erreichbar, es sind keine Bilder mehr mit diesem Gerät möglich. Doch erstaunlicherweise lässt es sich noch bedienen. Ich stelle jedoch fest, dass die Bildqualität immer weiter abnimmt. Ich überlege, ob es am defekten Display liegt und nun von hinten Licht auf den Chip fällt. Anders kann ich mir den immer häufigeren Grauschleier im oberen Drittel nicht erklären.
Nach etwa einem Kilometer erreiche ich an einer Kreuzung eine Schutzhütte. Sie signalisiert mir die Passhöhe: Ich befinde mich nun auf 1160 m Höhe! Vor der Schutzhütte biege ich scharf nach rechts ab, und sogleich beginnt noch im Wald wieder der Abstieg. Deutlich steiler als der Aufstieg führt mich ein Schottersträßchen hinab zur „Kühzagl-Alm“. Diese ist um diese Jahreszeit bereits geschlossen. Ich folge dem Sträßchen weiter abwärts in den Wald. In einem Tal geht es steil bergab. Auf dem Schotter muss ich bei diesem Gefälle ziemlich aufpassen, nicht auszurutschen. Nach etwa 2 km stoße ich auf eine Baustelle. Der Bach wurde über Rohre an der Baustelle umgeleitet, und ein Bagger steht im ehemaligen Bachbett und formt künstliche Stufen. Im oberen Bereich sind diese bereits gemauert. Ich dachte immer, der Trend gehe wieder zurück zur Renaturierung. Aber vielleicht macht man diese Art der Kanalisierung auch für den Hochwasserschutz.
Kurz darauf habe ich die Talebene von Rottach-Egern erreicht. Ein Asphalt-Sträßchen führt mich an zahlreichen Viehweiden vorbei nach Westen. Kurz vor Ortsbeginn geht mein Weg kerzengerade an einem völlig ausgetrockneten Fluss entlang. Welche Wassermassen müssen hier bei Regenfällen herunterkommen! Jetzt sieht man hier nur trockenes Geröll.
Etwa 1 km lang folge ich diesem trockenen Flussbett, bis ich schließlich über eine Brücke den Ortskern von Rottach-Egern erreiche. Hier fülle ich mir nicht nur die Wasserflaschen wieder auf, sondern hole mir in einem Supermarkt etwas zu Essen. Dieser befindet sich auf zwei Etagen, und so finde ich hier einen mir bis dahin unbekannten Einkaufswagen-Lift vor.
Als ich aus dem Supermarkt komme, spricht mich eine Frau an, die meinen Wagen ausgiebig begutachtet. Sie fragt mich, ob ich damit unterwegs wäre, was ich bestätige. Sie erzählt mir, dass ihr Sohn auch so ein Weltenbummler sei. Er war in Südamerika erst mit dem Rad, dann zu Fuß unterwegs. Nachdem wir uns einige Zeit über meine Reise ausgetauscht haben, verabschieden wir uns, und ich laufe in Richtung Süden weiter. Durch offenbar wohlhabende Wohnviertel gehe ich am Ende über einen schmalen Pfad an Kuhweiden vorbei zum Ufer der Weißach. Ein kleiner Schotterweg führt hier auf der rechten Seite flussaufwärts nach Süden. Der Himmel hat sich mittlerweile immer mehr zugezogen, und es sieht deutlich nach Regen aus. Laut meiner Karte soll sich an diesem Weg nach einigen Kilometern eine Schutzhütte befinden. Ich habe vor, diese anzupeilen, auch wenn es an sich noch recht früh ist. Aber wegen des angekündigten Wetters habe ich lieber einen trockenen Platz für mein Zelt. Es ist nicht undicht, aber es macht eben einiges einfacher. Ich folge dem Weg vorbei an einem Biberdamm und anschließend durch einen ansprechenden Bergfichtenwald.
Nach ungefähr 1,5 km kommen mir drei Damen entgegen, und es setzt einmal wieder das mittlerweile bekannte Rätseln ein, was ich wohl in meinem Packsack transportiere. Gleitschirm und Fotoausrüstung waren die heutigen Tipps. Ich kläre die drei Frauen über meine Reise und den Inhalt des Packsacks auf, und sie sind begeistert. Sie wollen sogleich wissen, ob ich irgendwo über meine Erlebnisse berichte. Dementsprechend wandert seit längerem mal wieder eine Visitenkarte aus meinem Geldbeutel an die neuen Besitzerinnen. Die drei Damen wünschen mir noch viel Erfolg auf meiner Reise, und ich wandere weiter nach Süden. Die angestrebte Schutzhütte müsste in Kürze auf der linken Seite erscheinen. Doch was kurz darauf am Wegrand auftaucht, ist alles andere als eine Schutzhütte, wie ich sie mir erhofft habe: Ich finde nämlich nur eine Sitzbank mit Tisch vor, die überdacht sind, nach allen Seiten offen und außerdem so schmal, dass wenn ich mich auf den Tisch legen würde, immer noch Kopf und Füße frei im Regen hängen würden.
Das war also schon mal nichts. Laut Karte kommt da allerdings auf sehr, sehr, sehr lange Zeit auch keine weitere Schutzhütte mehr. Hmm, und was soll ich jetzt machen? Ich folge dem Weg entlang der Weißach immer weiter in Richtung Süden. Zahlreiche Spielelemente, die spielerisch den Kindern die Natur näher bringen sollen, säumen den Weg. Nachdem ich kurz vor Kreuth die Flussseite gewechselt habe, beschließe ich, in einem Waldstück oberhalb des Weges mein Zelt aufzubauen. Es hilft ja alles nichts! Es ist besser als am Ende im Regen aufzubauen. Unter mächtigen Buchen fange ich an, leicht erhöht meine Plane auszulegen. Ich bin gerade dabei, das Zeltgestänge einzuhaken, da fängt es leicht an zu regnen. Na, das nennt man ja wohl Timing! Rasch bringe ich das Außenzelt an und werfe alles, was trocken bleiben soll, unter das Außenzelt. Im Trockenen hänge ich schließlich das Innenzelt ein.
Gegen 20 Uhr setzt ein immer böiger werdender Wind ein, der mir zunehmend Sorgen bereitet. Wie sicher ist mein Standort hier? Gerade nach der Trockenheit können in so alten Bäumen doch noch einige tote Äste hängen. Mit jeder Böe, die anrauscht, wird mir unwohler. Mein Bauchgefühl sagt mir: Nur weg hier!
Kurz nach 21 Uhr wird es mir zu riskant. Ich nutze eine Regenpause und packe die schwersten Sachen in meinen Wagen. Anschließend transportiere ich mein Zelt samt Isomatte und Schlafsack an einem Stück durch die Dunkelheit knapp 100 m weit durch die Gegend an einen Ort, den ich für sicherer halte. Dank meiner hellen Stirnlampe ist das auch kein Problem. Der neue Schlafplatz liegt zwar nun direkt an der Weißach, aber bis diese mein Zelt erreicht, muss es stark regnen. Als ich gerade zurücklaufe und meinen Wagen abholen will, stürzt bereits der erste Ast herunter. Er ist nicht groß genug, um jemanden zu erschlagen, aber groß genug, um ein Loch in mein Außenzelt zu reißen. Das war wohl die richtige Entscheidung! Ich habe gerade den Wagen neben meinem Zelt abgelegt und krieche in den warmen Schlafsack, da fängt es draußen wieder an zu schütten.
In der Nacht werde ich von starken Böen geweckt. Ein Glück, dass ich mich dazu entschieden habe umzuziehen. Am neuen Standort kann mir nichts mehr passieren.