Das kuriose Verhalten mancher Dorfbewohner
So., 12.08.2018
Kaisermühl – Ragower Mühle –Mixdorf – Grunow – Oelsener Mühle – Reudnitz – Lindow – Möllen – Niewisch – Speichrow – Jessern – „Ludwig-Leichardt-Hütte“
Kilometer: 39,9 km
Wenn man nach 38°C, wenige Tage zuvor, plötzlich bei nur noch 8°C aufwacht, ja dann fühlt es sich an, als sei über Nacht der Winter eingebrochen. Entsprechend möchte ich auch gar nicht aus meinem Schlafsack heraus. Aber schließlich schaffe ich es doch, meinen inneren Schweinehund zu überreden und fange an, einzupacken. Aber zuerst muss ich noch die warme Jacke aus den Tiefen meines Packsacks befreien. Rein gefühlt liegt für mich die Außentemperatur nahe der Frostgrenze. Da bekommt man ein ungefähres Gefühl, wie sich eine Nacht in einer Wüste anfühlen muss.
Die Temperaturdifferenz zwischen Außenluft und warmem Kanalwasser führt zu schönen, flachen Nebelfahnen auf dem Kanal.
Auf einem asphaltierten Radweg geht es durch den tiefen Kiefernwald. Die Landschaft nimmt auf meinem Weg Richtung Süden immer mehr einen finnischen Charakter an. Zumindest stelle ich mir Finnland so vor! Unendliche Kiefernwälder, jede Menge Sand, Heidelbeeren und immer wieder Seen. Nach und nach wird die Landschaft immer hügeliger. Zum ersten Mal seit Verlassen der Ausläufer des Thüringer Waldes, habe ich es mal wieder mit Anstiegen zu tun. Aber weiterhin ist alles mit Kiefern bewachsen. Mit den Heidelbeeren oder auch Gräsern am Boden wirkt der Wald mit seinen sanften Hügeln richtig ansprechend.
Als ich die Ragower Mühle erreiche, endet für mich erst mal der Fußmarsch auf dem schönen Radweg. Eine kleine Straße führt mich nach Mixdorf. Eine kleine Stromleitung begleitet mich auf der Strecke. Auf einmal hört man ein lautes Knistern. Eine junge Kiefer hat sich mit ihrer Krone in die Stromkabel gelegt. Ich frage mich in dem Moment, was wohl passiert, wenn man nun den Stamm der Kiefer berührt. Aber auf solche Versuche lasse ich es dann doch nicht ankommen. Vor dem Ortsanfang von Mixdorf erreiche ich mehrere Apfelbäume entlang der Straße. Ich wage einen neuen Versuch, ob mittlerweile die Äpfel reif sind. Sie sind reif und richtig lecker dazu! Ich packe mir zu meinen Pflaumen aus der Pflaumenallee noch einige Äpfel dazu.
Ab Mixdorf führt mich ein Radweg entlang der Landstraße Richtung Grunow. Offenbar besteht hier die Planung, einen Windpark zu öffnen. In Mixdorf hat jedenfalls so gut wie jedes Haus ein“ Windkraft-Nein- Danke“-Schild am Grundstück hängen. Auch Computermodelle sollen den vorbeifahrenden Autofahrer oder Wanderer wie mich, darüber informieren, wie der Ort in Zukunft mit Windrädern aussehen würde. Schön wäre das wirklich nicht! Ich persönlich stehe dem Thema Windkraft auch sehr ambivalent gegenüber. Auf der einen Seite wollen wir weg von der Atomkraft, brauchen also auch entsprechende Alternativen, wie zum Beispiel die Windkraft. Auf der anderen Seite bin ich nun durch mehrere Windparks marschiert, und nicht nur der optische Anblick so mitten in der Natur hat mich erschreckt! Auch die Geräuschkulisse mehrerer Windräder sowie der Schlagschatten sind Dinge, die ich so nie auf dem Schirm hatte. Auswirkungen auf die Vogelwelt kommen natürlich auch noch hinzu, wobei ich das nicht beurteilen kann.
In Grunow angekommen, führt mich der Weg durch ein Waldstück zur Oelsener Mühle, wo ich schließlich abbiege und auf einem sandigen Waldweg Richtung Süden laufe. Plötzlich entdecke ich weit vor mir ein schwarzes Rechteck, das auf dem Boden liegt. Was ist denn das? Hat da jemand seinen Laptop verloren? Mitten im Wald? Ich kann es auf die Distanz nicht wirklich einordnen. Als ich näher komme, entpuppt sich das schwarze Rechteck als eine dunkelgrüne selbstaufblasbare Sitzunterlage. Im ersten Moment gehe ich davon aus, dass diese ein Jäger oder anderer Wanderer verloren hat. Doch dann bemerke ich eine offene Naht an der Seite, aus der die Luft immer wieder entweichen kann. Da hat sie wohl doch jemand einfach entsorgt. Ich beschließe jedoch, das Sitzkissen mitzunehmen. So etwas lässt sich schnell flicken, und praktisch ist es dazu. Dreckig ist es auch nicht, und das Ventil scheint auch noch zu funktionieren. Ich rolle es daher ein und stecke es in das Netz am Rucksack.
Weiter geht es auf immer sandigeren Wegen. Schneeweiß und fein ist hier der Sand. So mancher Urlaubsort am Meer würde vor Neid erblassen. Aber mir bereitet dieser tiefe feine Sand immer mehr Probleme. So gut es geht, versuche ich den tiefen Spuren auszuweichen und einigermaßen feste Partien zu nutzen. Aber das Vorankommen wird dennoch immer mühseliger. Ich bin daher ganz froh, als ich kurz vor Reudnitz endlich wieder festen Boden unter den Füßen habe.
Die Landschaft hat sich mittlerweile schlagartig geändert. Wäre es hügeliger, könnte ich auch im Allgäu gelandet sein. Große Wiesen mit Kühen, dazu eingebettet das Dorf mit einer kleinen Kirche. Der Wald ist auch nicht mehr so von Kiefern dominiert. Es ist richtig schön hier! Auch auf meinem Weg nach Lindow ändert sich daran nichts. Im Gegenteil, die offenen weiten Flächen werden immer größer. Zwar gibt es immer wieder mal einen Abschnitt mit Kiefernwald, aber große weite Wiesenflächen prägen nun eher das Bild. Das hätte ich Brandenburg gar nicht zugetraut.
Nachdem ich in Lindow mal wieder ein sehr amüsantes Erlebnis mit den Dorfbewohnern hatte, muss ich nun doch einmal etwas ausholen und das Verhalten von Dorfbewohnern auf meine Anwesenheit etwas genauer beschreiben. Eine der Fragen von Gastgebern ist oft, wie ihre Landsleute so im Hinblick auf die Gastfreundschaft drauf sind. Am Anfang habe ich dann immer gesagt, dass es da noch zu früh ist, eine wirklich seriöse Auskunft zu geben. Mittlerweile kann ich jedoch ganz klar sagen, es ist nicht möglich, das Verhalten der Leute auf ein Bundesland zu reduzieren. Man kann also nicht sagen, die Brandenburger sind gastfreundlicher als die Thüringer. Es sind eher im Kleinen regionale Unterschiede, wo man dann doch merkt: hier ticken die Menschen anders. Ich habe alleine heute vier Situationen mit Dorfbewohnern gehabt, die man in zwei Gruppen unterteilen kann. Die Ängstlichen und die Neugierigen. Um das ganze besser zu veranschaulichen, werde ich vier erlebte Situationen mit fiktiven Personen besetzen und nachstellen. Und ich kann Euch sagen, das habe ich so wirklich erlebt.
Die Neugierigen:
Karl-Heinz geht wie jeden Morgen raus ans Tor, um die Zeitung zu holen. Plötzlich entdeckt er am Horizont einen Wanderer, der sich nähert, jedoch ein seltsames Gefährt hinter sich her zieht. Karl-Heinz beschließt daher, mal abzuwarten, was da nun in ihr kleines, beschauliches Dorf herein marschiert. Auch mehrere Minuten später steht er noch im Nachthemd am Tor, den immer näher kommenden Wanderer im Blick behaltend. Als dieser nach fünf Minuten an ihm vorbei läuft und freundlich grüßt, grüßt er zurück, lässt ihn jedoch keinesfalls aus dem Blick. Er schaut dem seltenen Gast nochmals fünf Minuten hinterher, bis dieser endlich am Horizont verschwindet.
Herbert hat es sich mal wieder zur Aufgabe gemacht, seine Blumen im Trog in der Hofeinfahrt zu gießen. Die Trockenheit will schließlich nicht enden. Er zieht daher – wie seit mittlerweile mehreren Monaten – den Schlauch vom Stall quer über den Hof und hat gerade angefangen zu gießen, da entdeckt er seitlich durch den Zaun hindurch einen Wanderer, der mit einer seltsamen blauen Karre an seinem Grundstück vorbei zieht. Was ist denn das? denkt er sich und wartet gespannt darauf, dass sich der Wanderer seiner Hofeinfahrt nähert. Ah, da ist er ja auch schon, und er grüßt freundlich. Herbert grüßt zurück und sieht das Hinterteil des Wagens hinterm Pfosten der Hofeinfahrt verschwinden. In der Zwischenzeit hat Herbert nicht nur seine Blumen ertränkt, auch der Hof hat sich inzwischen in eine Seenplatte verwandelt.
Die Ängstlichen:
Irmgard sitzt – wie jeden Morgen – vor ihrem Haus und liest ein Buch. Sie liebt es, in ihrem Dorf die anderen zu beobachten, und ab und an kommt auch die Nachbarin für ein Gespräch vorbei. Doch heute vormittag nähert sich von Osten her ein ihr unheimlicher Mann. Scheinbar ein Wanderer, doch was ist das da hinter ihm für ein Gefährt? Unruhig rutscht Irmgard auf ihrem Stuhl hin und her. Vielleicht biegt er ja noch ab! Oh nein, er kommt doch genau hier entlang. Irmgard packt ihr Buch und verschwindet im Haus. Hier drinnen fühlt sie sich sicher. Hinter einer Gardine lugt sie vorsichtig aus dem Fenster. Was er da wohl drinnen hat?
Richard hat – wie jeden Sonntag – einen Ausflug mit seiner Familie unternommen und ist soeben wieder an seinem Wohnhaus eingetroffen. Er freut sich bereits auf einen gemütlichen Nachmittag auf der Couch. In der Ferne entdeckt er jedoch in seinem beschaulichen Ort eine seltsame Gestalt. Die Person selbst sieht auf die Entfernung eigentlich noch ganz normal aus, aber was ist das da hinter ihr? Noch sind die Kinder gerade damit beschäftigt, die Sachen ins Haus zu tragen, der Älteste sitzt noch hinten im Auto. “Jonas, mach mal schnell die Garagentore auf!” fordert er seinen Mittleren auf, der soeben aus dem Haus kommt. “Ich will schnell das Auto rein stellen.” Auch Iris, seine Frau ist gerade mit der Jüngsten wieder aus dem Haus gekommen. “Schnell, geht in die Garage!” fordert er die verdutzte Ehefrau auf. “Und mach die Haustür zu!” In Windeseile stürmen die beiden in die Garage, in die Richard bereits rückwärts das Auto einparkt. An den Garagentoren stehend, blickt er um die Ecke. “Schnell, schnell, er ist gleich da!”, ruft er in die Runde und schließt die zwei Torhälften, als der unbekannte Wanderer mit seinem Wagen die Garage erreicht hat. Dieser hört jedoch nur noch, wie von innen der Schlüssel umgedreht wird, und erblickt beim Zurückschauen an den Fenstern der Garage fünf plattgedrückte Nasen.
Alle vier Fälle habe ich so 1:1 erlebt, und im letzten Fall stand der Wind entsprechend, sodass ich auch noch den dazu gehörenden Dialog mitbekommen habe. Was sich entsprechende Personen in diesem Moment denken, kann ich nicht sagen. Dazu müsste ich die jeweiligen Personen unmittelbar danach ansprechen. Aber macht man so etwas? Etwas, das man nicht kennt, löst entweder Ängste oder aber Verwunderung aus. Entsprechend ist das Verhalten der jeweiligen Charaktere nur menschlich. Für mich ist es jedoch oft sehr amüsant, und ich muss gestehen, das eine oder andere Mal konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Highlight war natürlich wirklich der letzte Fall, den man für einen Sketch nicht besser hätte nachspielen können! Aber nun weiter im Bericht:
Auf sandigen Wegen geht es weiter Richtung Westen. Dieses Mal hat der Weg jedoch eher eine feste Struktur, sodass ich ganz gut voran komme. Nach Erreichen der B168, biege ich sogleich wieder in die Landstraße Richtung Möllen ab. Hier ist auch kaum Verkehr. Da meine Wasserflaschen leer sind, beschließe ich, am Campingplatz in Niewisch meine Flaschen aufzufüllen. Ich gehe daher in die Rezeption und frage die Dame freundlich, ob es möglich wäre, meine Flaschen auf dem Platz mit Leitungswasser aufzufüllen. Um welche Menge es sich denn handelt, will die Frau wissen. Ich gebe meine beiden Flaschen am Rucksack an, etwa 2 Liter, und wundere mich schon etwas über diese Frage. „Also der Chef verlangt für eine kleine Flasche 50 Cent“, setzt die Frau an. Das wären bei meiner Menge 2 €, schießt es mir in den Kopf, und entsprechend muss ich die Frau wohl auch entgeistert angeschaut haben. Denn sie teilt mir daraufhin mit, dass sie für beide Flaschen auch 1,€ nehmen würde. Der Chef würde das mit dem Flaschen auffüllen aber nicht sehr gerne sehen, fügt sie noch an. Ich habe jedoch genug gehört und verabschiede mich. So etwas ist mir auch noch nicht auf meiner Reise passiert. Es mag ja bei genauer Betrachtung wirtschaftlich gesehen legitim sein, für das Bereitstellen von Leitungswasser an Externe eine geringe Gebühr zu verlangen. Ob es aus moralischer Sicht richtig ist, ist aber noch einmal eine ganz andere Sache! Hinzu kommt der geforderte Preis. In jedem Supermarkt, ob Discounter oder Fachmarkt, bekommt man 1,5 Liter stilles Wasser für 19 Cent. Ich wage mal zu behaupten, dass die Kosten für Leitungswasser bei der Abnahmemenge nochmals um ein Vielfaches darunter liegen. Hier 50 Cent für 0,5 Liter zu verlangen, ist schon dreist.
Ich ziehe erbost weiter. Immerhin, der Weg am Schwielochsee ist wunderschön. Ein schmaler Pfad, befestigt durch Kunststoffgitter und Kiesgemisch, führt immer entlang des Sees über Wiesen und Erlenwälder. Dazwischen immer wieder kleine Buchten mit Stränden. Toll hier!
In Speichrow fülle ich schließlich meine Flaschen wieder mit Wasser auf und marschiere weiter am See entlang um den Hafen herum.
In Jessern laden zahlreiche Apfelbäume entlang der Straße zu einer kleinen Zwischenmahlzeit ein. Auch andere Passanten bedienen sich. Auf geradem Weg verlasse ich den Ort und betrete nach Überqueren einer Landstraße sowie der B320 schließlich wieder Kiefernwald. Der Waldweg führt mich leicht bergab und bergauf immer geradeaus zu meinem Übernachtungsort, der Ludwig-Leichardt-Hütte am großen Mochowsee. Die Hütte verfügt nicht nur über ein Plumpsklo, sie hat sogar einen Brunnen mit Wasserpumpe. Das Wasser hat jedoch einen derartig metallischen Geruch, das ich es erst gar nicht probiere. Aber zum Abduschen und Waschen der Kleidung ist es bestens geeignet. Da die Hütte innen mit zahlreichen Sitzgelegenheiten und einem großen Grillplatz ziemlich belegt ist, baue ich später mein Zelt neben der Hütte auf. Außerdem komme ich endlich dazu, seit mehreren Wochen mal wieder meinen Kocher anzuwerfen. Ich mache mir mal wieder Couscous mit Tomatensoße. Diese Zubereitung bietet sich aufgrund der Schnelle einfach an, und bei der Zubereitung der Tomatensoße hat man viele Gestaltungsmöglichkeiten.
Markus, der Musikant ….
https://www.youtube.com/watch?v=1Y4g0R805aE
Welche Musikinstrumente stecken denn in Deinem blauen Sack?
Klaus
Das Lied passt 100%ig ?
Eigentlich aber sehr traurig, dass die Menschen so reagieren. Du siehst ja nun wirklich nicht auserirdisch oder terroristisch aus. Oder sind die Selfies von dir alle ein Fake und in echt hast du schon schwarze wallende Mähne??
Die Erlebnisse mit den Leuten sind wirklich interessant, aber warum z.B. Herbert nicht ansprechen bevor noch seine Füße aufweichen. Bei den anderen 3 wäre dies wohl nicht so einfach möglich gewesen.
Hier in Übersee kostet der Liter Leitungswasser aktuell 0,29 cent! Das heißt also für 0,5l gerade mal 0,145 cent. Somit war der verlangte Preis für das Wasser ca. 345x zu teuer. 😉 Mag sein dass in Brandenburg andere Leitungswasserpreise vorherschen, doch sicher nicht so dramatisch!