Neue Naht und steinige Wege
Do., 13.09.2018
Gösselsdorf – Reichmannsdorf – Schmiedefeld – Lichte – Waschdorf – Neuhaus am Rennweg – Steinheid – Limbach
Kilometer: 23,1 km
Als ich am Morgen erwache und aus dem Fenster schaue, hat mich der Herbst wieder eingeholt: Dichter Nebel, alles Grau in Grau. Das ist herrlich! Ein Blick auf das Niederschlagsradar zeigt mir zudem eine schmale Regenfront, die von Nordwesten heranzieht. Nach dem herrlichen Wetter am Vortag und dem Sternenhimmel am Abend habe ich mit diesem Wetter nicht gerechnet. Ich gehe zu Hans hinunter, der mir einen Kaffee hinstellt. Die selbst gebauten Möbel von Hans begeistern mich immer noch, und so führt er mich in seine Werkstatt. Außerdem zeigt er mir am PC einige seiner Werke. Gegen 11.30 Uhr ist es dann Zeit aufzubrechen. Ich verabschiede mich von Hans und marschiere los in die graue Welt. Lieber Hans, ich danke Dir noch einmal ganz herzlich für Deine Gastfreundschaft, außerdem für den genähten Hüftgurt!
Auf der Landstraße mache ich mich auf den Weg in Richtung Reichmannsdorf. Bei Sonnenschein ist das bestimmt eine herrliche Landschaft mit schönen Aussichten. Doch ich sehe keine 100 m weit.
Einige Autos überholen mich, darunter auch ein Auto mit Berliner Kennzeichen. Kurz darauf kommt es mir wieder entgegen, bremst und lässt mehrere Autos überholen. Was wird denn das wieder werden? Soll ich wieder vom Zoll kontrolliert werden? Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter und fragt, ob er mich mitnehmen soll. Er habe mich gerade überholt und gedacht, vielleicht möchte ich bei diesem Wetter in den nächsten Ort. Ich bedanke mich, lehne es aber ab. Ich erkläre dem Fahrer, dass ich es mir zum Ziel gesetzt habe, die komplette Strecke zu laufen. Er findet das klasse und wünscht mir eine gute Reise.
Steil geht es die letzten Meter nach Reichmannsdorf hinauf. Im Ort wird mir an der Straße bereits angezeigt, dass die Straße nach Neuhaus am Rennweg gesperrt ist und eine Umleitung eingerichtet wurde. Genau in diese Richtung möchte ich aber laufen, erst recht, wenn ich die mühsam erkämpften Höhenmeter nicht sofort wieder verlieren möchte. Ich beschließe, es darauf ankommen zu lassen und laufe einfach an der Straße entlang nach Süden. Normalerweise müsste man nun links und rechts herrliche Bergwiesen sehen, behauptet meine Karte. Ansätze davon sehe ich auch, aber die Sicht reicht nicht weit. Dafür habe ich die frisch asphaltierte Straße komplett für mich allein: Kein Fahrzeug ist unterwegs. Als ich einen Bauernhof erreiche, sehe ich bereits etwas vor mir einen Bagger und einen LKW. Nichts tut sich, aber es ist gerade auch kurz nach 12 Uhr, also Mittagspausenzeit. Ich beschließe, über den Bauernhof hinweg einen Waldweg den Berg hinauf und dort auf einer Höhe weiter zu laufen. Der Weg geht am Ende weniger steil den Berg hinauf, als ich es befürchtet habe. Und so habe ich kurz darauf von oben einen Blick auf die Baustelle: Ich hätte ohne Probleme daran vorbei gehen können. Aber es macht nichts, denn nun habe ich die Höhenmeter bereits hinter mir. Auf der Straße wäre es eben später aufwärts gegangen. Dementsprechend wandere ich auf einer Höhe nach Schmiedefeld. Der Ort mit seiner Kirche und den Nebelschwaden erinnert mich spontan an einen Ort in Südtirol, wo ich vor drei Jahren bei Regenwetter meinen Urlaub verbracht habe. Mir passiert es immer wieder mal, dass mich bestimmte Merkmale an irgendeine Reise in der Vergangenheit erinnern und ich prompt das passende Bild dazu vor Augen habe.
Schmiedefeld verlasse ich auf einer kleinen Straße bergabwärts zu einem Industriegebiet. Dort geht es auf einer Höhe zurück in die tieferen Ortsteile. Auf einer kleinen Straße verlasse ich den Ort nun endgültig und steige anfangs noch sanft, später mit kräftigem Gefälle ins Tal hinab nach Lichte. Das Wetter ist heute unberechenbar! Es ist neblig, feucht und weder richtig warm noch wirklich kalt. Entsprechend bin ich ständig am An- und Ausziehen. Kaum ist es mir wieder zu warm geworden, und ich ziehe den Pullover aus, da kommt wieder eine kalte Brise, und ich muss mich wieder anziehen.
Auf einer Anhöhe gehe ich ab Lichte entlang eines Baches durch das Tal. Als ich schließlich Waschdorf erreicht habe, verlasse ich das Tal und biege in ein Seitental ab, in dem es immer steiler bergauf geht. Um die Naht zu schonen, und weil es erfahrungsgemäß bei solchen Steigungen angenehmer ist, schnalle ich den Wagen ab und schiebe ihn durch Fichtenwald vor mir her den Berg hinauf.
Schließlich erreiche ich einen breiten geschotterten Forstweg, der auf einer Höhe nach rechts führt. Ich folge ihm eine Weile, merke aber, dass ich so nicht wirklich an Höhe gewinne. Neuhaus am Rennweg liegt jedoch oben am Hang. Ich beschließe daher, den Weg zu verlassen, und biege nach links in einen etwas wilderen Forstweg ein. Anfangs führt der Waldweg sanft bergauf, aber schließlich wird er so steil, dass ich nur mit Mühe und Not hinauf komme. Doch oben habe ich es fast geschafft: Auf einer Höhe führt mich ein schmaler Pfad durch den Wald nach Neuhaus. Im Ort suche ich den Schuhmacher, dessen Adresse ich im Internet gesucht habe. Hoffentlich kann er den Gurt festnähen! Als ich den Laden betrete, steht der junge Chef gerade mit einem Vertreter und der Verkäuferin an der Theke. Ich schildere ihm mein Problem und erkläre ihm, was genau er machen soll. Er verschwindet mit meinem Hüftgurt um die Ecke und fragt noch, ob ich besondere Farbwünsche beim Faden habe. Ich verneine es, Hauptsache sei doch, dass es fest ist, antworte ich ihm. Keine zwei Minuten später kommt er wieder aus seiner Werkstatt. „Ist es so in Ordnung?“ fragt er und hält mir den fertigen Hüftgurt hin. Ich bin begeistert! Er hat es schön im Quadrat festgenäht.
Nachdem ich 4 € gezahlt habe, laufe ich weiter in den Ort. Hier treffe ich mal wieder auf den Rennsteig. Und dieses Mal werde ich diesem auch knapp zwei Tage lang folgen. Doch zuvor mache ich noch bei einem Supermarkt halt – im Übrigen ist es der Erste nach zwei Tagen – und decke mich wieder mit Lebensmitteln ein.
Danach folge ich dem weißen “R” aus dem Ort. Wer sich auf dem Rennsteig verirrt, muss entweder blind sein oder schon viel Alkohol getrunken haben. Ich habe noch nie einen so gut ausgeschilderten Wanderweg gesehen! Nachdem ich den Wald erreicht habe, habe ich die Wahl zwischen dem Rennsteig-Wanderweg und dem Rennsteig-Radweg. Auch wenn meine Karte zum Teil sehr unwegsame Wege vorhersagt, entscheide ich mich spontan für den Wanderweg.
Durch einen lichten Fichtenwald gehe ich auf einem Pfad immer auf einer Höhe durch den Wald. Für den Wagen sind nur einige Fichtenwurzeln in diesem Bereich etwas schwierig. Der Radweg verläuft nur wenige Meter entfernt auf einer Schotterpiste. Kurz darauf gehen Rad- und Wanderweg ein Stück gemeinsam auf der Schotterpiste voran. Dann teilen sich die Wege wieder. Ich bleibe jedoch auf dem Wanderweg, der mich zur B281 bringt. Parallel zu dieser laufe ich wieder über einige Fichtenwurzeln auf schmalem Wege weiter.
Das Spiel wiederholt sich noch einige Male, bis sich der Radweg endgültig verabschiedet. Gleichzeitig wird mein Wanderweg aber immer anspruchsvoller: Auf einem steinigen, fast felsigen Pfad steige ich immer steiler in einer Rinne bergab. Den Wagen kann ich nicht mehr hinter mir herziehen, sondern muss ihn vor mir her den Berg hinab schieben. Immer wilder wird der Weg! Doch schließlich habe ich es geschafft und stehe wieder an der Bundesstraße und neben einer Schutzhütte.
Weniger wild, aber immer noch sehr steinig führt mein Weg hinauf zum Sandberg. Hier wurde früher Sandstein abgebaut, was für die Region eher ungewöhnlich war. Oben erreiche ich wieder humanere Wege, bis ich schließlich auf einer asphaltierten Straße lande. Auf den Schildern steht, dass es sich um eine Sommertrainingsstrecke für Skiläufer handelt. Leicht geht es bergauf und bergab, bis ich schließlich eine Wiese mit Blick nach Steinheid erreiche. Ich beschließe nach einem Blick auf die Karte und die Uhr, noch nach Limbach abzusteigen. Anfangs benutze ich einen Wiesenweg, später einen Forstweg durch den Fichtenwald. Als das Gefälle immer mehr zunimmt, wird auch der Weg wieder zunehmend felsig. Aber ich komme gut voran und stehe schließlich in Limbach. Als ich auf der anderen Seite des Ortes den Waldrand erreicht habe, stehe ich vor einer Schutzhütte und beschließe, hier zu bleiben. Sollte über Nacht der Nebel verschwinden, hätte ich hier zudem am Morgen Sonne. Allerdings bin ich da eher ziemlich skeptisch. Nachdem ich mein Zelt aufgebaut habe, schreibe ich in der Schutzhütte meinen Bericht und telefoniere noch kurz mit Katharina, die sich derzeit im Urlaub in Österreich befindet.
Die Bilder erinnern mich sehr an eine Radtour auf dem Rennsteig, teils bin ich damals den Radweg oder Wanderweg gefahren. In solchen Hütten hab ich auch oft übernachtet, war schon toll dort!
Der Rennsteig ist schon interessant. Zum Teil wilde Landschaft, auf lange Distanz eine recht hohe Höhe ohne wirklichen nennenswerte Anstiege. Dazu Wege die auch für ungeübte Wanderer gut zu meistern sind. Immer wieder Schutzhütten und eine tolle Wegbeschilderung