Auf kerzengeraden Straßen bei 38°C durch Berlin
Mi., 08.08.2018
Wilhemstadt – Westend –Charlottenburg – Tiergarten – Mitte –Lichtenberg – Friedrichsfelde –Biesdorf – Waldesruh
Kilometer: 34,7 km
Der Wecker klingelt heute besonders früh: 4.30 Uhr! Draußen ist es noch dunkel. Doch ich möchte das kühlere Wetter nutzen. So wirklich abgekühlt hat es jedoch gar nicht. Ich packe meine Sachen zusammen und laufe den Berg hinauf zur Bundesstraße. An dieser werde ich nun die nächsten 15 km immer geradeaus ins Stadtzentrum laufen. Es gibt sicherlich Schöneres, aber auch das gehört eben zu einer Deutschlandreise dazu.
Zahlreiche Autos sind für diese Uhrzeit unterwegs. Aber vermutlich schläft eine Stadt wie Berlin ohnehin nie. Die langen geraden Abschnitte, werden nur durch größere Kreuzungen unterbrochen, ansonsten sehe ich oft schon früh am Horizont, wo ich Stunden später entlang laufen werde. Ich halte es bei solchen Strecken wie der Straßenfeger „Beppo“ im Buch “Momo” von Michael Ende: Ich versuche, mich auf Ziele in der Nähe zu konzentrieren und nicht auf die in der Ferne. Letzteres frustriert schnell!
Mit dieser Taktik erreiche ich schließlich kurz nach Sonnenaufgang den Tiergarten. Dieser präsentiert sich mir als ziemlich zugemüllt. Obwohl an jeder Ecke Mülleimer stehen, sehen die Anlagen links und rechts der Wege ziemlich dreckig aus. Überall liegen Taschentücher. Nachdem ich die Siegessäule erreicht habe, wechsele, ich die Parkseite und nähere mich dem Schloss Bellevue. Bis auf ein paar patrouillierende Polizisten ist hier nichts los! Alle Rollläden sind verschlossen. Mein Weg führt mich wieder in den Park, jedoch immer am Rand haltend, sodass ich kurz darauf das Kanzleramt erreiche. An diesem entlang geht es zum Reichstag. Aufgrund der Gegenlichtsituation ist es leider nicht so einfach, ein Bild zu machen. Das Kanzleramt hingegen liegt im Morgenlicht. Am Reichstag bereitet man sich zu dieser Zeit auf den Besucheransturm vor. Die ersten Besuchergruppen warten auch schon vor den Sicherheitsschleusen. In wenigen Stunden wird hier die Hölle los sein.
Ich ziehe jedoch weiter zum Brandenburger Tor. Im Gegensatz zum Wochenende liegt es auch schön im Morgenlicht. Die ersten Gruppen sind trotz der frühen Stunde auch schon unterwegs und posieren in allen möglichen Kombinationen vor dem Tor. Ich überlege auch erst, ob ich mich zusammen mit dem Wagen vor dem Tor fotografiere, entscheide mich aber dann doch nur für einen Schnappschuss.
Kerzengerade geht es nun auf der Strecke vom Wochenende zum Alexanderplatz. Mittlerweile ziehen die Temperaturen auch ganz schön an. Ich nutze jede Möglichkeit auf Schatten auf meinem Weg.
Doch spätestens ab dem Alexanderplatz sieht es mit Schatten eher schlecht aus. Grund ist die Ausrichtung der Bundesstraße Richtung Südosten, der ich auf den nächsten 15 km folge. An einigen großen Baustellen geht es in voller Sonne immer weiter.
Ich habe mittlerweile nur noch ein Ziel: raus aus der Stadt! Sicherlich hat Berlin sehr viel zu bieten, aber ich kann mich bei dem Wetter einfach nicht damit anfreunden. Lieber komme ich für einen Städtetrip bei kühlerem Wetter wieder. 38°C draußen in der Natur ist ja schon hart! Aber hier in der Stadt, mit den zahlreichen Autos und entsprechenden Abgasen ist es schon grenzwertig! Die Straße, der ich folge, führt mal wieder ohne eine Kurve immer geradeaus. Ich bin daher froh, als ich schließlich hinter dem Tierpark die Straße verlassen kann, und es auf schmaleren Sträßchen Richtung Biesdorf geht. Kurz vor dem Bach „Wuhle“ erreiche ich einen Park. Dieser besteht zwar nur aus einer Handvoll Bäumen und sonst nur Freiflächen, aber zumindest eine Bank wird von einem Baum beschattet. Auf dieser lasse ich mich nieder und lege mich der Länge nach hin. Knapp zwei Stunden verbringe ich hier. Allein der Gedanke, außerhalb des Schattens in der Sonne weiterlaufen zu müssen, hält mich hier fest. Doch die Sonne hat mittlerweile große Teile der Bank erobert.
Entlang der Wuhle geht es für mich Richtung Süden. Schatten gibt es hier zwar auch nicht viel, aber es weht ein angenehmer Wind. Schließlich verlasse ich jedoch die Wuhle, und durch Wohnsiedlungen geht es mal wieder kerzengerade in Richtung meiner heutigen Gastgeber.
Peter hatte seinen Chef angefragt, ob ich bei ihm eine Nacht verbringen kann, und dieser hatte zugesagt. Bis zu seinem Eintreffen habe ich jedoch noch etwas Zeit. Ich nutze diese in einem kleinen Waldgebiet zum Herunterkühlen. Denn ich habe mir beim letzten Supermarkt wieder einen Pott Eis gekauft. Dieses Mal nicht das gute Langnese-Eis, sondern eine Eigenmarke des Supermarktes. Aber es schmeckt auch gut, und das Wichtigste ist: es kühlt ab.
Um 16.30 Uhr klingele ich dann bei Rainer, meinem Gastgeber. Dieser kommt ans Gartentor und kann es gar nicht glauben, dass ich bei diesen Temperaturen unterwegs bin. Er und seine Frau werden abends nicht da sein, aber es ist kein Problem. Ich kann den ausgebauten Keller im Haus gegenüber beziehen, das sich auch in seinem Besitz befindet. Hier ist es schön kühl. Alternativ kann ich natürlich auch im Garten mein Zelt aufbauen. Doch bei den Temperaturen ziehe ich den Keller gerne vor. Rainer versorgt mich kurz, bevor er abfahren muss, noch mit drei Flaschen Wasser, und auch ein Duschgel bringt er mir noch mit. Kann ich behalten, wenn ich möchte, sagt er. Seine Frau kommt auch noch vorbei und bringt mir eine Schale voller Äpfel vorbei. Die seien von ihrem Familienapfelbaum. Dieser würde verschiedene Sorten tragen, erklärt sie mir. Ich bedanke mich bei den beiden für die Gastfreundschaft und springe anschließend unter die Dusche. Was tut das gut! Überhaupt sind Duschen für mich mittlerweile fast das wertvollste auf der Reise geworden! Es wird einem auf so einer Reise erst so richtig bewusst, welchen Luxus man eigentlich Tag für Tag mit einer Selbstverständlichkeit in Anspruch nimmt.
Wenig später vernehme ich draußen ein Grummeln. Schwarze dunkle Wolken hängen Richtung Osten. Und schließlich setzt auch ein dicktropfiger Regen ein, der jedoch genauso schnell wieder aufhört. Östlich von mir scheint es jedoch gut zu schütten, denn man hört ein Rauschen in der Luft. Dazu rumpelt es immer wieder in der Ferne. Ich ziehe mich in den kühlen Keller zurück und beginne den Bericht zu schreiben.