Auf und Ab durchs Vorland des Erzgebirges
Sa., 01.09.2018
Langenstriegis – Mühlbach – Frankenberg/Sachsen – Niederlichtenau – Oberlichtenau – Auerswalde – Glösa-Draisdorf – Chemnitz – Röhrsdorf – Wittgensdorf – Hartmannsdorf – Mühlau
Kilometer: 34,8 km
Als ich am Morgen gegen 7 Uhr aufwache, ist am Reitplatz etwas unterhalb schon jede Menge Trubel. Die Musikanlage wird getestet, und man erkennt auch schon einige Reiter. Ich packe meine Sachen zusammen und mache mich auf den Weg. Ich gehe am Turniergelände vorbei. Sehr viele Pferde sind bereits mit ihren Reitern am unteren Reitplatz unterwegs. Offenbar finden auch schon Prüfungen statt, denn eine Jury sitzt in einem Häuschen und schaut mit kritischen Blick jeden einzelnen Schritt an. Ich wandere nun eine schmale Straße hinab ins Tal. Schien beim Aufstehen noch die Sonne, schiebt sich von Osten immer mehr ein dunkles Wolkenband herein. Es wird immer kälter, daher ziehe ich meine Jacke an und lege mir ein Buff-Tuch um den Hals. Der Ort Mühlbach entpuppt sich mal wieder als ein lang gezogenes Straßendorf. Viele Kilometer geht es an kleinen Häuschen vorbei, immer weiter den Berg hinab. Einen Gehweg oder ähnliches findet man hier nicht. Aber auf der schmalen Straße gibt es so früh ohnehin kaum Verkehr. Das Tal gefällt mir! Ee erinnert mich stellenweise an die Normandie.
Kurz vor Frankenberg verlasse ich die Landstraße und biege auf einen schmalen Pfad ab, der mich an einem Firmengelände vorbei immer tiefer in das Tal hinein führt. Ein schöner Laubmischwald begleitet hier meinen Weg.
Nachdem ich durch einen längeren Tunnel die Eisenbahnstrecke unterquert habe, stehe ich in Frankenberg am Sportplatz. Zahlreiche Jugendmannschaften trainieren dort gerade für ein Spiel. Ich überquere am Kreisverkehr eine größere Straße, nun führt mich ein kleines Sträßchen hinab ins Tal, vorbei an Schrebergärten. Unten im Tal sind bereits umfangreiche Bauarbeiten zu erkennen, und ich bin gespannt, ob ich meinen Weg überhaupt, wie geplant, fortsetzen kann. Doch an einer Brücke ist dann tatsächlich Schluss, denn Baustellgitter versperren mir den Weiterweg.
Als ich gerade drehen möchte, um die Straße zurück zu laufen, spricht mich Tobias von der Seite her an. Er ist mit seinen Kindern hier, da er einen Freund besuchen wollte, doch der scheint nicht da zu sein. Er ist von meiner Reise schwer beeindruckt und meint, man könne mich dafür nur beglückwünschen. Er ist vor vielen Jahren in Kanada zu Fuß unterwegs gewesen und musste dort feststellen, dass die Einheimischen nicht auf Wanderer eingestellt waren. Auf die Frage, wie weit es zum Campingplatz ist, bekam er beispielsweise die Antwort: 10 Minuten. Er dachte sich noch: “Super, dann kann ich ja in Ruhe am Campingplatz mein Zelt aufbauen und dann einkaufen gehen.” Die 10 Minuten entpuppten sich am Ende jedoch als Autominuten, und er war 2 Stunden unterwegs. Aus Zurückgehen und Einkaufen wurde dementsprechend nichts.
Wir kommen auf die politische und gesellschaftliche Lage in Chemnitz zu sprechen. Er rät mir davon ab, die Stadt heute zu besichtigen, die Stimmung dort sei sehr geladen. Er versteht auch nicht, warum in Sachsen ein doch recht großer Anteil der Bürger politisch rechtsgerichtet ist. Er findet es enorm wichtig, dass man den Leuten vor Augen führt, wie gut es uns in Deutschland geht. Er denkt manchmal, viele müsste man zu einer Reise, wie ich sie gerade mache, regelrecht verdonnern, damit sie ihre Augen etwas öffnen. Er findet es daher super, was ich mache und findet es auch wichtig, dass ich meine Erfahrungen, die ich unterwegs sammle, veröffentliche.
Von Tobias erfahre ich zudem, dass die Bauarbeiten im Tal mit der Landesgartenschau zusammen hängen, die in Frankenberg bald stattfinden soll. Wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind, kann man durch das Tal in einem Park spazieren gehen.
Nachdem wir uns verabschiedet haben, laufe ich die Straße zurück zur Kreuzung und wähle die nächste Straße. Über diese gelange ich schließlich auch ins Ortszentrum, wo ich in einem Supermarkt auf der Toilette meine Flaschen fülle. Im Ortskern fallen mir die schicken Gehwege auf, die sehr neuwertig erscheinen.
Weiter geht mein Weg über die Zschopau und einen geschotterten Feldweg hinauf zur Autobahn 4. Dort erreiche ich Niederlichtenau, das ich auf kleinen Straßen bis zur Hauptstraße durchquere. Dort führt mich mein Weg an der Kirche vorbei aus dem Ort hinaus auf einem Feldweg den Berg hinauf. Kleine Hofzufahrten zweigen immer wieder ab. Von hier oben hat man einen prima Blick in Richtung Erzgebirge, aber auch auf die sich immer nähernde Schlechtwetterfront. Man könnte meinen, es beginne jeden Moment zu regnen. War das so geplant? Ich habe keine Ahnung!
Nachdem ich Oberlichtenau erreicht habe, biege ich nach links auf einen grob geschotterten Feldweg entlang der Autobahn ab. Leicht führt dieser hinab in eine Senke, um unter der Bahnlinie hindurch wieder anzusteigen. Stellenweise trennt nur eine Rosenhecke meinen Weg von der Autobahn, dann laufe ich direkt an ihr vorbei. Doch kurz vor Auerswalde verlasse ich diese endgültig. Am Waldrand entlang gehe ich auf einer schmalen Straße hinab nach Glösa-Draisdorf.
Ein schmaler Gehweg führt mich durch den Ortsteil von Chemnitz. Immer weiter geht es hinab ins Tal, bis ich schließlich in Furth die B107 erreiche. Zahlreiche Polizeiautos, zum Teil mit Anhänger, sind auf dem Weg in die Stadt. Sind wieder Demonstrationen angekündigt? Ich biege jedoch nach rechts ab, laufe ein Stück an der Chemnitz entlang in Richtung Norden und überquere in einem Wohnviertel die Autobahn A4.
Leicht den Berg ansteigend laufe ich durch ein ruhiges Wohnviertel, bis ich schließlich nach Unterqueren einer Bahnlinie in einem Waldstück lande. Auf einem breiten Forstweg wandere ich erst bergauf, dann hinab in ein Tal, um dort auf nun schmalem Wege wieder steil anzusteigen.
Oben habe ich das Chemnitz-Center erreicht, einen großen Einkaufstempel, eigentlich eine eigene Stadt. Vom Lebensmittelmarkt über mehrere Elektroläden, Kleidung bis hin zu Baumarkt gibt es hier wirklich alles! Entsprechend voll ist es hier auch. Die Menschenmassen schieben sich durch die Gassen zwischen den Läden, als gäbe es kein Morgen mehr. Ich will nur schnell hinein in den Baumarkt, neue Gummigurte kaufen und dann weiter gehen. Die alten Gummigurte für die Deichsel aus Wittenberg kommen so langsam, aber sicher, an ihre Grenzen, und sicherheitshalber habe ich schon einmal einen Ersatz gekauft. Im Erzgebirge dürfte ich es da schwer haben, an Ersatz zu kommen.
Über den gigantischen Kundenparkplatz des Einkaufszentrums steige ich bergauf in Richtung Norden. Durch ein Industriegebiet, das zur Hälfte noch unbebaut ist, geht es weiter nach Wittgensdorf. Dort gehe ich an der Landstraße auf einem Radweg entlang den Berg hinab nach Hartmannsdorf. Als ich den Ort erreiche, fährt vor mir ein Autofahrer vom Gehweg weg. Er bremst, dreht mitten auf der Straße einen Kreis und kommt vor mir wieder auf dem Gehweg zu stehen. Ein Mann steigt aus und wartet, bis ich das Auto erreicht habe. „Bist du ein Reisender?“, will er wissen. „Woher kommst du und wohin gehst Du?“ ist seine zweite Frage. Seine Art zu kommunizieren wirkt sehr abgehackt, wie ein Roboter. „Ich habe großen Respekt vor so etwas. Hast du was zu trinken? Möchtest du ein Bier?“ Ich bedanke mich, lehne jedoch ab. Irgendwie verunsichert mich die Art des Mannes zu sehr. Er wünscht mir auf die gleiche, kurze und abgehackte Art eine gute Weiterreise und steigt wieder in sein Auto.
An einer Brauerei verlasse ich die Hauptstraße und biege an einem kleinen Bach entlang auf eine Seitenstraße ab. Durch ein ruhiges Wohnviertel laufe ich immer weiter an dem kleinen Rinnsal entlang, bis ich schließlich nach links in ein Gewerbegebiet abbiege. Zahlreiche Menschen und ein Festzelt deuten an, dass hier gefeiert wird: Laut Plakat ein Jubiläum der Schalmeienzunft Hartmannsdorf. Das hört sich interessant an! Doch zu hören ist alles andere, nur keine Schalmeien! Technomusik kommt aus dem Zelt. Darauf habe ich keine Lust, und es ist mir den Eintritt auch nicht wert, zumal ich mich für 18 Uhr bei meinen Gastgebern angekündigt habe. Ich laufe daher weiter durch das Gewerbegebiet, bis mich ein schmaler Fußpfad durch ein Wäldchen hinauf ins nächste Gewerbegebiet führt. Hier höre ich dann Dank des kalten Windes auch die Schalmeien aus Hartmannsdorf. Mit etwas mehr Zeit wäre ich wahrscheinlich da geblieben und hätte mir das angesehen!
Steil geht es wieder den Berg hinab. Was für ein Auf und Ab heute! Ich habe Mühlau erreicht, den Wohnort meiner Gastgeber. Maike, eine Kusine von Katharina, wohnt hier zusammen mit ihrem Freund Ludwig, und die beiden haben mich eingeladen.
Und so klingele ich wenig später an ihrer Haustür. Zusammen sitzen wir, nachdem ich geduscht habe, in ihrer Küche und unterhalten uns.