Zu Besuch im Haus Kugelroth
Sa., 08.09.2018
Tiefenbrunn – Kugelreuth – Nentschau – Hof
Kilometer: 18,6 km
Als ich am Morgen aufwache, ist es zwar kalt, aber es präsentiert sich mir ein blauer Himmel mit einzelnen Wolken. Aufgrund meines Standortes profitiere ich allerdings nicht von der Kraft der Sonne. Denn diese steht für mich noch verborgen hinter dem Fichtenwald. Dank des wieder einsetzenden, leichten Windes, trocknet mein Zelt dennoch ganz gut, sodass ich gegen 10 Uhr aufbrechen kann.
Da der Weg umgepflügt wurde, beschließe ich, am Feldrand entlang an die Straße zu laufen. An dieser geht es dann auch nach Westen voran. Obwohl es sich um eine größere Landstraße handelt, wurde sie recht schmal ausgebaut, sodass mir der bereits um diese Zeit recht starke Autoverkehr etwas Probleme bereitet. Ich bin daher froh, dass ich nach wenigen 100 m auf eine kleinere Landstraße abbiegen kann. Seltsamerweise ist diese breiter ausgebaut als die Hauptstraße. Leicht geht es den Berg abwärts nach Kugelreuth. Als ich gerade durch den kleinen Ort marschiere, fangen – wie so häufig – zwei kräftige Hunde an einem kleinen Haus an zu bellen. Im Gegensatz zu den anderen Tagen, befindet sich an diesem Haus jedoch kein Zaun, der die Hunde davon abhalten könnte, zu mir zu gelangen. Und so passiert es auch, dass einer der beiden Hunde, zielgerichtet auf mich zugeschossen kommt. Ich habe keine Angst vor Hunden, aber schwer abzuschätzen ist so eine Situation immer wieder. Aus dem Haus treten zwei Männer, die die Hunde zurückrufen, worauf diese auch sofort reagieren. Die Männer rufen mir zu, ob ich Lust und Zeit für einen Espresso habe, was ich kurzerhand annehme.
Während Olli im Haus verschwindet, erfahre ich von Franky, dass er hier gerade mit seiner Hündin Chilli zu Besuch ist, um Olli im Haus zu helfen. Ich habe ja enorm viel Gepäck dabei, meint er staunend. Er sei früher viel getrampt. Wenn ich eine Unterkunft in Hof brauche, sollte ich das nur sagen. Er habesehr viel Platz. Als Olli wieder aus dem Haus kommt, drückt er mir einen Apfel aus dem eigenen Garten in die Hand und führt mich ins Haus.
Das kleine, unscheinbare Häuschen entpuppt sich beim Betreten als optische Täuschung. Das ehemalige LPG-Gebäude wurde von Olli nach und nach in ein kleines Paradies umgebaut. Er sagt mir, dass er sich selbst als Künstler bezeichnet, und das spiegelt sich auch in seinem Haus wider. Überall finden sich interessante und zum Teil versteckte Details. Er habe ein Faible dafür, „Müll“ zu verarbeiten, und auch die komplette Ausstattung sei nicht gekauft. Stolz führt er mich durch sein Haus. Hier eine Wendeltreppe, dort eine Glasscheibe im Boden, dann ein ganzer Turm, der in das Haus eingebaut wurde. Olli hat sich hier seine eigenen Vorstellungen von seinem Haus kurzerhand umgesetzt bzw. ist immer noch dabei. Auf der Südseite ist eine gigantische Öffnung in der Außenwand. Im Obergeschoss stehen zahlreiche Betten für Wanderer, die er später hier beherbergen möchte. Im Keller, dem ehemaligen Viehstall, soll eine Galerie hinkommen. Außerdem befindet sich dort sein Bad. Draußen hat er vor, einen Biergarten anzulegen. Drei Kastanienbäume sind schon gepflanzt. Die ehemalige Jauchegrube soll ein Pool werden und der ehemalige Schuppen eine Bar, wo man Kräutertees aus dem eigenen Garten trinken kann.
Olli ist ein sehr spiritueller Mensch! Er erklärt mir, dass er versucht, die Energien der Planeten Jupiter, Venus, Mars, Merkur und der Sonne in seinem Haus darzustellen. So sammelt er zum Beispiel für den Venusturm viel Kupfer, das er in diesem Turm verbauen möchte. Für mich ist diese spirituelle Welt völlig fremd, dennoch höre ich interessiert Ollis Schilderungen und Ausführungen zu.
Franky ist im Keller bereits wieder dabei, die alte Deckenverschalung herunterzureißen, damit die schönen Trägerbalken wieder zum Vorschein kommen. Auch Olli macht sich wieder an die Arbeit, während ich im Haus unterwegs bin und Bilder mache. Der Wohnstil mag für manche ungewohnt sein, ich finde ihn dagegen äußerst interessant. Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Individualität zunehmend verloren geht. Alles gleicht sich zunehmend an, und umso interessanter ist es, wenn man dann plötzlich einmal sieht, dass man auch anders leben und wohnen kann.
Spontan beschließe ich, noch etwas an diesem Ort zu bleiben und frage die beiden im Keller, ob ich mithelfen kann. „Klar, gerne!“, meint Olli. Und so helfe ich Franky, die Deckenplatten herunterzureißen. Da dies sehr staubt, ist es Olli lieber, wenn ich eine weniger staubige Arbeit mache, und so stehe ich kurz darauf auf der Leiter und hebele mit einem Stämmeisen die verbliebenen Nägel aus den Trägerbalken. Während der Arbeit erfahre ich, dass Olli ebenfalls zu Fuß unterwegs ist, allerdings in anderen Dimensionen. Er läuft eine Acht durch Europa und seinen Außengrenzen. Zuletzt war er auf Island. Er ist jedoch nur mit 3 kg Gepäck unterwegs und läuft täglich zwischen 50 bis 80 km. Wahnsinn! Er hat über seine Touren mehrere Bücher geschrieben, erzählt er mir.
Gegen Mittag geht Olli hoch und kocht uns ein Mittagessen. Als wir kurz darauf an der Südseite des Hauses sitzen und gemeinsam essen, kommt Olli die Idee, meinen Wagen zusammen mit Franky nach Hof vorauszufahren. Er würde dann mit mir zusammen nach Hof hineinlaufen. Ich nehme diesen Vorschlag dankend an. So komme ich noch bis Hof voran, und ohne Wagen sind wir dann auch deutlich flexibler in der Weggestaltung.
Während die beiden mit meinem Wagen unterwegs sind, reiße ich noch die letzten Deckenplatten im Keller von der Decke und räume etwas auf. Ich bin sehr gespannt, wie die Galerie in einigen Jahren dann aussehen wird!
Als Olli zurück ist, machen wir uns zusammen mit Anne, der Hündin von Olli, auf den Weg. Das Wetter ist zum Wandern herrlich: Leichter Wind, Sonnenschein und angenehme Temperaturen! Ich verlasse mich bei der Wegführung nun komplett auf Olli. Und so marschieren wir kurz darauf abseits der Wege über Wiesen und Gräben in Richtung Westen. Hier überschreiten wir auch die Landesgrenze nach Bayern. Kurz darauf kommen wir an einem Birkenring vorbei, der um einen Hügel wächst. Für Olli ist das ein sehr energiegeladener Ort. Weiter geht es in Richtung Westen, bis wir schließlich an der Abbruchkante eines alten Steinbruchs stehen. An diesem vorbei laufen wir hinab ins Tal. Nachdem wir einen Graben übersprungen haben, steigen wir über eine Wiese bergauf zu einem interessanten Steinbruch. Still liegt das Wasser unter uns. Störend sind nur die zahlreichen Windräder, die hier im Wald aufgebaut wurden! Auf Schotterwegen vorbei an den Windrädern geraten wir an eine Landstraße. Dieser folgen wir nach links, biegen dann jedoch wieder nach rechts auf ein kleines Sträßchen ab. Nördlich von Neugattendorf überqueren wir wieder eine Landstraße und folgen einem schmalen Wiesenweg in den Wald.
Kurz darauf erreichen wir auch schon die ersten Vororte von Hof. Konnte Anne bisher die meiste Zeit frei umher laufen, wird sie nun an die Leine genommen. Sie ist ein Landhund, und Städte sind ihr so gut wie fremd. Immer weiter marschieren wir in Richtung Stadtzentrum, bis wir schließlich die Saale überqueren. Es ist mittlerweile dunkel geworden, doch weit haben wir es nicht mehr. Franky wohnt in einer 300 m² großen Wohnung im Stadtzentrum und lebt dort in einer Wohngemeinschaft. Doch bevor wir zu ihm stoßen, machen Olli und ich noch einen kleinen Abstecher in die Altstadt. Olli erklärt mir, dass die eigentliche Altstadt etwas südlicher liegt. Heute wird jedoch meist der Bereich zwischen Neustadt und ehemaliger Altstadt als die Altstadt bezeichnet. Historisch korrekt wäre dies jedoch nicht.
Bei Franky bekomme ich eine kleine Führung durch die große Wohnung. Toll sind die großen Dachgärten, die von Franky und seinem Mitbewohner, der an diesem Abend aber nicht da ist, liebevoll gepflegt werden. Viel Gemüse, Obst und Beeren werden auf den zwei Dachterrassen angebaut. Danach spielen wir zusammen mit Franky`s Tochter “Mensch ärgere dich nicht”. Gegen Mitternacht gehen wir dann ins Bett.
Ich bin zwar nicht so weit gekommen, wie ich es ursprünglich geplant hatte. Dafür hatte ich die Gelegenheit, Einblick in ein ganz wunderbares Haus zu bekommen sowie zwei sehr interessante Menschen kennenzulernen. Mit der Esoterik werde ich zwar weiterhin nie etwas anfangen können, aber es war doch interessant, Ollies Ausführungen zuzuhören. Ich wünsche ihm mit seinem Projekt alles, alles Gute und für seine Reisen viel Gesundheit.
Herzlich Willkommen in Bayern! Ich freue mich sehr für dich, dass du so ein Erlebnis gehabt hast! Genau das macht solch eine Reise aus finde ich. Spontan, fremde Leute, Plan plan sein lassen und genießen! Ich wünsch dir noch viele mehr davon! Genau dass macht eine Reise so wertvoll!
Danke. Ja, mittlerweile sind die ganzen Gespräche und Erlebnisse am Wegesrand in den Vordergrund gerückt.