Äcker, Steine und Tour-Unterbrechung

Fr., 28.09.2018
Reichenberg – Moos – Kirchheim – Oberwittighausen – Unterwittighausen – Vilchband – Oberbalbach –Unterbalbach
Kilometer: 33,7 km

Als ich am Morgen aufwache, habe ich mit starken Halsschmerzen zu kämpfen. Scheinbar bricht die Erkältung nun doch aus. Außerdem ist es noch ziemlich kalt draußen. Ich drehe mich noch einmal im Schlafsack um und warte auf die Morgensonne.

Etwa eine Stunde später steigt diese über den Horizont. Ich beginne, im Zelt alles zusammen zu packen. Mein Außenzelt ist heute durch die Wiese mal wieder klatschnass. Ich hänge es daher in den Zweigen eines Apfelbaumes zum Trocknen auf. Gegen 10 Uhr mache ich mich schließlich auf den Weg, hinab nach Reichenberg. Unten im Tal geht es sogleich wieder den Berg hinauf. Einem kleinen Schotterweg folge ich parallel zur Bahnlinie in Richtung Süden. Steil steige ich hinab in ein kleines Tal. Einem asphaltierten Feldweg folge ich leicht ansteigend in Richtung Westen durch das Tal. Zahlreiche Äcker liegen links und rechts des Weges. Ab und an ist auch einmal eine Streuobstwiese dabei. Schließlich geht der Weg in einen Wiesenweg über, der mich zu einem kleinen Wäldchen führt. Während es in der Sonne bereits angenehm warm ist, wird es im Schatten sofort frisch. Entsprechend bin ich wieder damit beschäftigt, meine Jacke ständig auf und zu zu machen.

Laut meiner Karte soll hier am Ende des Tales ein unbefestigter Weg nach links durch den Wald abbiegen. Doch ich finde nichts, was an einen Weg erinnert. Ich laufe daher ein Stück über die Wiese weiter. Doch hier geht es erst recht nicht weiter! Ich kehre um und schaue mir den Waldrand noch einmal genauer an. An einem Baum ist eine Wandermarkierung zu erkennen, doch einen Weg sehe ich nicht. Aber etwa drei Meter versetzt entdecke ich am Hang Spuren in der Erde. Hier scheint ein Trampelpfad zu beginnen. Mit ganzer Kraft ziehe ich meinen Wagen den Hang hinauf in den Wald hinein. Tatsächlich fängt hier ein Weg durch den Wald an. Doch bereits nach 200 m habe ich diesen durchquert und stehe auf einer großen Ackerfläche. Ein Wiesenweg führt mich durch die kilometerweiten Ackerflächen den Berg hinauf in Richtung Süden. Kein Baum oder Strauch wächst hier oben. Dafür wurden hier einige Windräder aufgebaut. Doch heute ist es windstill, und alle Räder drehen sich nicht.

Blick zurück nach Würzburg

Ich werfe noch einen Blick zurück nach Würzburg, dann biege ich nach Westen ab, leicht absteigend ins Tal nach Moos. An den Windrädern geht es auf Schotterwegen vorbei hinunter an ein großes Feld, auf dem Solaranlagen installiert worden sind. Auf mehreren Hektar erstrecken sich hier die Paneele der Solarzellen. Obwohl das Gebiet eingezäunt ist, halten sich mehrere Rehe unter den Solarzellen auf.

Vorbei geht es an zahlreichen Windrädern in der sonst kargen Agrar-Landschaft
“Strom-Acker”

An der Bahnlinie nach Lauda führt mich ein asphaltierter Radweg nach Kirchheim. Kurz vor dem Ort komme ich an einem großen Steinbruch vorbei, wo Muschelkalk abgebaut wird. Ich bleibe eine Weile stehen und beobachte, wie große Gesteinsbrocken durch Druck halbiert werden. Als ich an einer Firma für Steinarbeiten vorbeigehe, kommt ein Mann auf mich zu und spricht mich in tiefstem Fränkisch auf meinen Wagen an. Im ersten Moment verstehe ich gar nichts. Doch schnell wird mir klar, dass er meint, dass man in meinem Wagen einen Elektromotor einbauen sollte, denn dann hätte ich es am Berg einfacher. Wir laufen ca. 200 m zusammen zum Ortskern, dann biegt er zu seinem geparkten Auto ab. Hinter dem Bahnübergang am Ortsende hätte ich Baden-Württemberg erreicht, ruft er mir noch zu.

Hier wird Muschelkalk abgebaut und verarbeitet
Riesige Brocken liegen am Wegrand

In Kirchheim statte ich dem Friedhof einen Besuch ab und fülle meine Flaschen wieder auf. Ich fühle mich zunehmend schlapper und jeder Schritt wird zu einer Qual. Hinzu kommen Kopf- und Halsschmerzen. Im Ort irre ich etwas herum und suche den weiteren Weg. Doch im Tal gibt es da keinen mehr. Auf weitere Anstiege habe ich in meinem Zustand aber keine Lust mehr. Ich folge daher der Landstraße für 4 km nach Oberwittighausen. Nach ungefähr 1 km verlasse ich schließlich, wie von dem Mann schon angekündigt, vor dem Bahnübergang Bayern und betrete Baden-Württemberg. Mein Heimatland ist erreicht! Kurz vor Oberwittighausen fallen mir umfangreiche Bauarbeiten in den Maisfeldern auf. Einige Brückenbauwerke wurden schon errichtet. Aufgrund ihrer Größe muss ich annehmen, dass hier offenbar ein neuer Radweg gebaut wird. Ab Oberwittinghausen gibt es schließlich auch einen Radweg abseits der Straße, dem ich nach Unterwittighausen folge. Hier bekomme ich in einem Supermarkt endlich einen Kartoffelsalat mit Essig und Öl. Endlich!

Altes Lagerhaus

In Unterwittighausen verlasse ich das Tal und folge oberhalb der Bahnlinie einem Feldweg in den Wald. An einer Kreuzung, die in meiner Karte nicht existiert, biege ich in den rechten Weg ein. Doch nach wenigen Metern stelle ich fest, dass dieser Weg nicht der Richtige sein kann. Statt hinauf führt dieser wieder zurück ins Tal. Ich drehe daher um und biege in den linken Weg ein. Stetig geht es nun in eigentlich sanften Steigungen durch den Wald. Doch ich habe das Gefühl, Bleiklumpen an den Füßen zu haben. Immer wieder muss ich anhalten und Pause machen. Das kann ja noch heiter werden! Oben geht es mal wieder durch eine völlig flurbereinigte Landschaft hinauf nach Vilchband. Der kleine Ort klebt auf einem Hügel und ist von vielen Äckern umgeben. Einzelne Waldstücke lockern die Landschaft ein bisschen auf. Wiesen findet man hier jedoch nicht. Von hier oben ist bereits gut mein weiterer Weg zu sehen. Doch ich habe immer mehr mit meiner Gesundheit zu kämpfen. Am liebsten würde ich mich einfach in die nächste Ecke legen und schlafen.

Selbst in den Tälern fast nur Ackerflächen

Langsam beginne ich den Abstieg in einer Zwetschgenallee hinab ins nächste Tal. Einem Asphaltweg folge ich durch das Tal, bis es auf einem Schotterweg wieder den Berg hinauf geht. Mein Kopf beginnt immer stärker zu schmerzen. Ich muss es noch bis da oben schaffen, denke ich mir. Dann werde ich mein Zelt aufbauen. Ich kann nicht mehr! Doch dort oben finde ich nur Äcker und nochmals Äcker vor. Bis an den Wegrand wurden hier die Flächen bearbeitet. Platz für ein Zelt findet man hier nicht. Es sieht hier ja schon fast aus wie zwischen Gotha und Erfurt, nur dass es hier ständig bergauf und bergab geht!

Äcker, Äcker und nochmals Äcker. Platz für mein Zelt gibt es hier nicht!

Notgedrungen laufe ich daher weiter. Mittlerweile hat es sich von Norden her immer mehr zugezogen: Es sieht nach Regen aus. War das angekündigt? Ich kann mich an nichts erinnern. Auf einer Art Höhenrücken laufe ich nach Süden. Noch einmal geht es ein Stück bergauf. Vielleicht finde ich hier einen Platz für die Nacht! Doch auch hier gibt es nur Äcker. Mir bleibt daher nichts anderes übrig, als ins nächste Tal hinab zu steigen. Nach ca. 500 m komme ich an einer kleinen Streuobstwiese vorbei, die sich an einer Kreuzung zwischen zwei Feldwegen befindet. Das ist nicht ideal, aber besser als nichts! Als ich mich hinsetze und den Kartoffel-Salat essen möchte, setzt ein immer böiger werdender Nordwind ein, und es wird eisig kalt. Mein Gesundheitszustand ist mittlerweile am Tiefpunkt angelangt. Mir wird klar, dass ich so nicht weiter reisen kann. Entweder muss ich im Zelt mehrere Tage pausieren, was aber eine Versorgung mit Trinkwasser voraussetzt. Diese ist hier nicht möglich! Oder aber ich muss versuchen, irgendwo in einem Haus Unterschlupf zu bekommen. Ich telefoniere mit meinen Eltern, die mir anbieten, mich abzuholen. Erst habe ich die Idee, die Nacht noch hier zu verbringen, am nächsten Tag die 10 km nach Bad Mergentheim zu laufen, und mich dort abholen zu lassen. Doch der kalte Nordwind und mein Gesundheitszustand lassen mich recht schnell von dieser Idee wieder abkommen. Mit meinen Eltern verabrede ich daher die Abholung noch an diesem Abend. In etwas mehr als einer Stunde können sie da sein.

Interessante Bank am Wegrand
Hier gibt es sogar mal Wiesen, eingeteilt durch Steinwälle wie in Irland

Dem kleinen Sträßchen folge ich weiter den Berg hinab nach Oberbalbach. Ursprünglich hatte ich mit meinen Eltern verabredet, dass sie mich hier abholen sollen. Doch erstens habe ich hier keinen Handy-Empfang mehr, zweitens setzt mir der kalte Nordwind immer mehr zu, sodass ich beschließe, ihnen auf der Landstraße entgegen zu laufen. Auf halber Strecke kommt mir ein Linienbus entgegen. Ich weiche nach links in den Randstreifen aus, damit er auf der schmalen Straße ohne Abbremsen vorbeifahren kann. Etwa 600 m vor Unterbalbach kommt der Linienbus wieder zurück. Der Fahrer bremst, schiebt sein Fenster auf und ruft mir zu, ob ich Lust habe mitzufahren. Ich sage ihm, dass ich nicht für die kommenden 600 m noch eine Fahrkarte kaufen möchte. Kein Problem, ruft er mir zu. Ich solle einfach einsteigen. Ich steige vorne beim Fahrer mit meinem Wagen ein und bedanke mich. Der Fahrer fragt mich, wohin ich denn laufen möchte. Ich nenne ihm Unterbalbach. Er bietet mir an, dass er mich auch nach Bad Mergentheim oder nach Lauda mitnehmen könne, falls ich das möchte. Außerdem fragt er mich, ob ich Geld benötige, er könne mir gerne etwas geben. Ich bedanke mich, lehne es aber ab. Aber allein diese Geste finde ich sehr beeindruckend und erwähnenswert. An der Hauptstraße von Unterbalbach verlasse ich den Bus und warte auf meine Eltern, die in Kürze hier eintreffen müssten. Während ich warte, setzt leichter Regen ein. Spätestens jetzt bin ich endgültig froh, bereits am Abend im Warmen sein zu können.

Kurz darauf treffen meine Eltern auch ein. Nachdem wir meinen Wagen verladen haben, geht es zurück in Richtung Stuttgart. Meine Füße fühlen sich mittlerweile an wie Brei. Entsprechend unbeholfen steige ich auch an meinem Elternhaus aus dem Auto. Nach vielen Tassen heißen Tees und einer heißen Badewanne in einem Erkältungsbad, falle ich völlig erschöpft ins Bett.

Ein Gedanke zu “Äcker, Steine und Tour-Unterbrechung”

  • Das ist ja ein toller Busfahrer☺?
    Dass du überhaupt so weit gelaufen bist in dem Zustand? Ich wäre wahrscheinlich keine 10 km weit gekommen?

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